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Tarifeinheitsgesetz - Unser Anspruch: Mehrheitsgewerkschaft in allen Betrieben

Die Deutsche Bahn hat angekündigt, in bestimmten Betrieben nur noch die Tarifverträge der Gewerkschaft anzuwenden, die im jeweiligen Betrieb die meisten in einem Arbeitsverhältnis stehenden Mitglieder hat. Die Tarifverträge der anderen Gewerkschaft würden verdrängt. Hintergrund ist das 2015 vom Bundestag beschlossene Tarifeinheitsgesetz (TEG), das nun auch bei der DB AG greifen soll.

1. In welchen Betrieben soll das TEG angewendet werden?
Der Arbeitgeber wird das TEG nach eigenen Angaben bei DB Cargo, DB Fernverkehr, DB Regio, DB RegioNetz Verkehrs GmbH, DB ZugBus Regionalverkehr Alb-Bodensee GmbH (Bereich Schiene), der S-Bahn Berlin GmbH und der S-Bahn Hamburg GmbH anwenden. In diesen Betrieben haben sowohl die EVG wie auch die GDL Tarifverträge abgeschlossen.

2. Warum will die DB AG das TEG jetzt anwenden?
Bislang hat der so genannte GrundsatzTV der GDL verhindert, dass das TEG auch bei der DB AG angewendet wird. Deutsche Bahn und GDL hatten sich – im Rahmen einer Schlichtung – am 30.6.2015 darauf verständigt, dass im so genannten Überschneidungsbereich (also jenen Unternehmen, in denen beide Gewerkschaften vertreten sind) die Tarifverträge unserer gewerkschaftlichen Konkurrenz auch dann anzuwenden sind, wenn wir als EVG dort die Mehrheit haben. Dieser Vertrag ist Ende des Jahres 2020 ausgelaufen. Insofern besteht jetzt Handlungsbedarf. 

3. Was ändert sich durch das TEG in den betroffenen Betrieben?
Es wird ganz klar deutlich, welche Gewerkschaft Tarifpolitik für die Menschen macht und wie umfangreich das eigene „Leistungspaket“ tatsächlich ist. Bislang haben viele Beschäftigte, wie auch die gewerkschaftliche Konkurrenz, von unseren guten Abschlüssen profitiert. Das, was wir in oft schwierigen Verhandlungen für unsere Mitglieder erkämpft haben, wurde vom Arbeitgeber am Ende allen gewährt. Damit ist jetzt in den Betrieben Schluss, in denen unsere Tarifverträge nicht mehr zur Anwendung kommen.

4. Wie wird das TEG angewendet?
Das TEG wird ausschließlich in den Betrieben angewendet, in denen beide Gewerkschaften Tarifverträge abgeschlossen haben. Entscheidend ist, welche Gewerkschaft in dem jeweiligen Betrieb die meisten Mitglieder organisiert. Die Tarifverträge dieser Gewerkschaft kommen künftig zur Anwendung – und zwar ausschließlich und für alle Beschäftigten, also auch für die Nichtorganisierten und die Mitglieder der anderen Gewerkschaft.

5. Was bedeutet das für die EVG und ihre Mitglieder?
In der überwiegenden Zahl der von der Anwendung des TEG betroffenen Betriebe sind die Beschäftigten mit deutlicher Mehrheit gewerkschaftlich in der EVG organisiert. Das heißt, dass in diesen Betrieben künftig ausschließlich unsere Tarifverträge angewendet werden. Davon profitieren Nichtorganisierte und die Mitglieder der anderen Gewerkschaft. Damit das so bleibt, brauchen wir hier einen weiterhin hohen Organisationsgrad. 


Es wird ganz klar deutlich, welche Gewerkschaft Tarifpolitik für die Menschen macht und wie umfangreich das eigene „Leistungspaket“ tatsächlich ist. 

6. Was passiert in den Betrieben, in denen wir keine Mehrheit haben?
In diesen Betrieben werden künftig auf alle Beschäftigten ausschließlich die Tarifverträge der GDL angewendet. Das wird uns und unseren Kolleginnen und Kollegen nicht gefallen, ist aber direkte Folge des Tarifeinheitsgesetzes. Deshalb müssen wir gemeinsam dafür sorgen, dass in diesen Betrieben so schnell wie möglich wieder EVG-Tarifverträge angewendet werden. Das heißt: Mitglieder werben! Alle, wirklich alle, die sich darüber ärgern, dass sie nun nicht mehr von unseren guten Tarifverträgen profitieren, sollten Mitglied der EVG werden. Um uns die nötigen Mehrheiten für einen Kurswechsel zu verschaffen, reicht eine Unterschrift auf dem Anmeldeformular.

7. Gibt es auch Betriebe, in denen die Mehrheiten unklar sind?
Ja, nach unserer Einschätzung nicht allzu viele, aber die gibt es. Das TEG schreibt zwar kein eindeutiges Verfahren vor, die fairste Möglichkeit zur Klärung wäre es, einen unabhängigen Dritten – einen Notar – damit zu beauftragen und die Mitgliederzahlen diesem gegenüber offen zu legen. Die EVG hat keine Angst davor und befürwortet ein transparentes Verfahren.  

8. Was wäre die Grundlage für eine solche Klärung?
Müssen die Mehrheitsverhältnisse geklärt werden, kommt dem Zeitpunkt des zuletzt abgeschlossenen Tarifvertrags eine entscheidende Bedeutung: In § 4a des Tarifvertragsgesetzes heißt es, dass bei kollidierenden Tarifverträgen in einem Betrieb nur die Rechtsnormen des Tarifvertrags derjenigen Gewerkschaft anwendbar sind, die zum Zeitpunkt des Abschlusses des zuletzt abgeschlossenen Tarifvertrags im Betrieb die meisten Mitglieder hat. 

9. Die Deutsche Bahn hat den Tarifvertragsparteien Gespräche angeboten, um Lösungen für den Fall von Tarifkollisionen zu erarbeiten. Wie ist die Position der EVG?
Wir sind immer gesprächsbereit und arbeiten lösungsorientiert. Das ist ja eine unserer Stärken. Wir lehnen es aber ab, uns jetzt mit der gewerkschaftlichen Konkurrenz an einen Tisch zu setzen. Gerade die jüngsten Auftritte der GDL haben zu einer tiefen Spaltung in der Belegschaft geführt. Die zutiefst diffamierenden und verleumderischen Äußerungen in den zurückliegenden Wochen entziehen jeder Form des gemeinsamen Austauschs den Boden. Das haben wir in einem Schreiben an den Personalvorstand der DB AG, Martin Seiler, deutlich gemacht. 

10. Was bedeutet das TEG für die Branche?
Die Fragen zur Tarifeinheit stellen sich möglicherweise auch im NE-Bereich. Hier hat vor wenigen Tagen die Tarifrunde begonnen. Vereinzelt haben Arbeitgeber schon laut darüber nachgedacht, mit welcher Gewerkschaft sie künftig Tarifverhandlungen führen wollen. Für uns ist klar: Wir werden auch weiterhin Tarifpolitik in der gesamten Branche gestalten. Und da, wo man uns diesen Anspruch möglicherweise streitig machen will, werden wir uns wehren. Niemand soll unsere Tarifmächtigkeit unterschätzen. Lautstarkes Auftreten ist kein Kriterium für Mitgliederstärke.


In der überwiegenden Zahl der von der Anwendung des TEG betroffenen Betriebe sind die Beschäftigten mit deutlicher Mehrheit gewerkschaftlich in der EVG organisiert. 

11. Es heißt, das TEG würde gerade kleine Gewerkschaften in ihrer Existenz bedrohen. Stimmt das?
In Deutschland gab es schon immer eine große Gewerkschaftsvielfalt – trotz Tarif­einheit. Bis Anfang 2010 haben deutsche Arbeitsgerichte regelmäßig entschieden, dass nur ein Tarifvertrag zur Anwendung kommen soll, auch wenn mehrere Gewerkschaften in einem Betrieb vertreten waren. Diese Entscheidungen wurden vom Bundesarbeitsgericht bestätigt.

Als der 4. Senat des Bundesarbeitsgerichts am 27.1.2010 seine Rechtsprechung änderte und den über Jahrzehnte geltenden Grundsatz, dass trotz Tarifpluralität in den Betrieben Tarifeinheit herrschen soll, aufgab, entbrannte eine rege Diskussion zwischen der Politik, den Gewerkschaften und der Wirtschaft, ob der Grundsatz der Tarifeinheit nicht wiederhergestellt werden müsse. 

Die Befürworter setzten sich am Ende durch; der Bundestag beschloss 2015 das Tarifeinheitsgesetz. Gegen dieses Gesetz wurden mehrere Verfassungsbeschwerden geführt. 2017 bestätigte das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsmäßigkeit des Tarifeinheitsgesetzes und legte bestimmte Grundsätze fest, die in der jetzigen Fassung des Gesetzes berücksichtigt wurden.

All das hat kleinere Gewerkschaften nicht in ihrer Existenz bedroht. Im Übrigen war es der Vorsitzende der GDL, der jüngst öffentlich erklärt, die Tarifverträge der EVG in allen Betrieben verdrängen zu wollen. Das geht nur mit dem Tarifeinheitsgesetz.

12. Wie steht die EVG zum TEG?
Wir wollen die Menschen mit einer guten Tarifpolitik überzeugen. Als EVG sind wir strikt gegen jede Form von Zwangsmechanismen oder Entmündigungen der Kolleginnen und Kollegen. Deshalb haben wir in den vergangenen Jahren erfolgreich verschiedene Wahlmodelle entwickelt und durchgesetzt. In diesen Wahlmodellen setzen wir bewusst auf einen Wettbewerb der Tarifverträge. Die Beschäftigten sollen selbst entscheiden. Eine andere Organisation verdrängen zu wollen, war nie unser Ziel.

13. Lassen sich Tarifverträge vergleichen?
Unsere tariflichen Regelungen sind – in Gänze betrachtet – ohne Frage besser und umfangreicher als die der Konkurrenz. In Details setzt die GDL teilweise andere Schwerpunkte, die für sich betrachtet vereinzelt Anklang finden könnten. Entscheidend aber ist das Gesamtpaket. Auf alle tariflichen Erfolge der EVG zu verzichten, weil einzelne Vereinbarungen der gewerkschaftlichen Konkurrenz besser in den persönlichen Kontext zu passen scheinen, wird wohl keines unserer Mitglieder wollen. 

14. Wie geht es jetzt weiter?
Nach wie vor ist es unser Anspruch, in allen Betrieben Mehrheitsgewerkschaft zu sein. Deshalb schauen wir uns sehr selbstbewusst an, wann und wie der Arbeitgeber das Tarifeinheitsgesetz anwenden wird. Angesichts unserer umfangreichen Tarifverträge und überzeugenden Mehrheiten sind wir in den meisten Betrieben gut aufgestellt. Unsere Stärke ist, dass wir Gemeinschaft leben und fair nach vorne wollen. Wir machen Tarifpolitik für die Menschen – ohne Zwänge, ganz individuell und mit Wahlrechten. Damit können wir überzeugen. Und das werden wir auch.

Viele weitere Informationen zum Tarifeinheitsgesetz finden sich auf unserer Homepage.