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Gaby, welche persönliche Bilanz ziehst du nach deinen ersten fünf Jahren im EU-Parlament?
Das waren herausfordernde Jahre. Wir waren kaum gewählt, da kam die Pandemie. Und als wir dachten, die sei überwunden, kam der Angriff auf die Ukraine. Und trotzdem würde ich sagen, auch aus der Perspektive einer Gewerkschafterin, dass wir in dieser Wahlperiode viel erreicht haben, um Arbeitnehmer:innen-Rechte zu stärken und Europa sozialer zu machen. Aber auch gleichstellungspolitisch haben wir einige wichtige Erfolge errungen. 

Kannst du einige Beispiele nennen?
Es ist uns gelungen, die sozialen Rechte von mobilen Beschäftigten zu stärken und Lohn- und Sozialdumping zu bekämpfen. So haben wir die Mindestlohn-Richtlinie durchgesetzt, von der Millionen Arbeitnehmende in Europa profitieren. Hier können wir wirklich genau zeigen, wo wir den Vorschlag der Kommission verbessert haben. Wir sehen, dass es geht, wenn man Mehrheiten dafür hat.

Viele Beschäftigte, auch Gewerkschaften, hadern ja nun aber manchmal mit Europa…
Ich auch, aber dann eher mit den Mitgliedsstaaten, die oftmals nur mit ihrem national-staatlichen Blick auf die Themen gucken. Wir als Parlament gucken da anders drauf. Ich meine aber auch, dass ich im Parlament von meinen jahrelangen Erfahrungen in Tarif-Verhandlungen profitiere. Auch da kommt man immer an einen Punkt, wo man sagt: Kann ich den Sack jetzt zu machen, ist da genug drin, dass ich das gut verkaufen kann?

Du sprichst die unterschiedlichen Tendenzen in den Mitgliedsländern an – ist das unter Parlamentarier:innen anders, insbesondere wenn du dir die Gewerkschaftsmitglieder anguckst?
Auf jeden Fall. Da gibt es eine gute Allianz. Wir vernetzen uns und arbeiten auch fraktionsübergreifend zusammen. Das ist wichtig, um auch in anderen Fraktionen Anker setzen zu können. Das Parlament kann aber auch nur so gut sein, wie es die Gesellschaft in der Breite repräsentiert. Und da können wir besser werden. Wir haben auch noch viel zu wenig Frauen. Man sollte auch mehr Vielfalt haben, mehr Erfahrungen in den verschiedenen Branchen der Arbeitswelt.

„Frauen wählen“ lautet unser Motto zum 8. März - warum ist es insbesondere für Frauen wichtig, an der EU-Wahl teilzunehmen?
Gerade für Frauen ist das eminent wichtig, weil Deutschland, wenn wir es mit anderen europäischen Ländern vergleichen, gleichstellungspolitisch immer noch ein Stückweit Entwicklungsland ist. Bei der Lohndifferenz sind wir immer noch im hinteren Bereich geblieben. Auch in der Anti-Diskriminierungspolitik haben wir davon profitiert, dass Europa Deutschland mitgezogen hat. Mit großer Sorge blicke ich daher auf die Umfragewerte für die Parteien, die der EKR- und der ID-Fraktion* angehören. Die wollen gleichstellungspolitisch nicht nur alles verhindern, sondern die Uhr zurückdrehen. Und das können wir nur verhindern, indem wir Mehrheiten für Frauenrechte schaffen.

Vor dem Hintergrund, dass viele einen Rechtsruck befürchten - was ist deine Vision von Europa?
Es gibt heute wahnsinnige globale Unsicherheiten, Kriege in Europa und in der direkten Nachbarschaft. Ich glaube, dass es in den nächsten Jahren vermehrt darauf ankommt, eine EU zu haben, die handlungsfähig ist und die mehr Sicherheit in einer immer unsicherer werdenden Welt schaffen kann. Dafür sind wir gut aufgestellt. Wir haben auch riesige Transformationen vor uns, deswegen ist für mich das Thema wichtig, wie wir Demokratie am Arbeitspatz stärken. Überall da, wo die Menschen das Gefühl haben, sie können mitgestalten und sind nicht nur ausgeliefert, ist auch das Vertrauen in die Demokratie viel größer.

*EKR = EU Skeptiker:innen, ID = Rechtsextreme und -populist:innen