DB Cargo: „Wir haben einen GBR mit Maß und Ziel“
Seit dem 1. November ist er der neue Vorsitzende des Gesamtbetriebsrates bei DB Cargo: Martin Braun. Er übernimmt den Posten von seinem Vorgänger Jörg Hensel in einer Phase, die für DB Cargo zu den schwierigsten der Unternehmensgeschichte gehört. Dennoch blickt er optimistisch in die Zukunft.
Martin, wo steht DB Cargo aktuell?
Wir hatten bei DB Cargo schon immer schwierige Zeiten, aber die derzeitige Situation ist schon besonders. Viele Kolleg:innen denken, das geht schon wieder gut aus. Das ist diesmal, glaube ich, nicht so einfach, da wir sehr viel Druck von allen Seiten bekommen. Die Verantwortung für diese Situation der DB Cargo liegt allerdings nicht bei den Mitarbeitenden! Wir haben zum einen das Beihilfe-Verfahren der EU-Komission. Das wird uns große Auflagen bringen, die uns ein eigenes Handeln fast unmöglich machen und das in einer Phase, in der wir im Markt mit sehr großen Mengenverlusten zu kämpfen haben. Hinzu kommt die Situation im Konzern, wo wir mit Sparprogrammen konfrontiert werden sowie ein seit über einem Jahr laufendes Transformationsprogramm des Cargo Vorstands, welches uns einiges abverlangt.
Stichwort Vorstand - das Frühjahr war von heftigen Auseinandersetzungen mit dem Arbeitgeber geprägt. Wie hast du das Frühjahr erlebt?
Ich habe zeitweise die Welt nicht mehr verstanden. Ich bin seit 1986 im Unternehmen, seit 1996 in der Mitbestimmung, aber dass man nicht mehr miteinander spricht, dass der Arbeitgeber mit dem Kopf durch die Wand will, das hat es so noch nie gegeben. Wir hatten als GBR im Januar 2024 eine Mitarbeitenden-Befragung gestartet. 8.000 Kolleg:innen haben sich beteiligt, wir haben 10.000 Freitext-Antworten bekommen. Darüber wollten wir mit dem Vorstand auf unserer Betriebsräteversammlung reden.
Die Reaktion des Vorstands: die anwesenden Vorstände stehen auf und verlassen die Veranstaltung. Für uns eine noch nie da gewesene Situation. Daraufhin haben wir die EVG um Unterstützung gebeten und diese auch erhalten. Wir sind dann gemeinsam mit der EVG und dem KBR an den Vorstand der DB AG herangetreten und haben ihn aufgefordert, dafür zu sorgen, dass der Cargo-Vorstand wieder an den Verhandlungstisch zurückkehrt. In dieser Phase war eines schön zu sehen; nämlich wie gut die Solidarität in der EVG funktioniert. Über alle Geschäftsfelder hinweg.
Mit dem Kopf durch die Wand, damit meinst du vor allem die geplante Auslagerung des Kombinierten Verkehrs (KV) in Tochtergesellschaften?
Ja. Wir Betriebsrät:innen wissen ja, wie das Unternehmen aufgebaut ist. Wenn ein Vorstand 25 % eines Segments nach außen vergeben will, dann fällt nicht nur die Zugleistung weg, da hängt ja einiges dran: Vertrieb, Rangierpersonal... Und Verkehre, die einmal weg sind, kommen nicht mehr zurück. Das war für uns dann auch der Anlass, dass wir uns mit der EVG zusammengesetzt haben und gesagt haben, wir müssen auf jeden Fall den KV bei der Cargo Mutter halten und damit die Arbeit unserer Beschäftigten sichern. Dafür haben wir auch gekämpft.
Wie zufrieden bist du mit dem Ergebnis?
Angesichts der Situation, mit der wir konfrontiert waren, kann man damit leben. Wir haben den KV bei der Cargo-Mutter gehalten. Da können wir auch ein bisschen stolz drauf sein. Denn das wäre eine Betriebsänderung gewesen und die haben wir verhindert, das passiert nicht alle Tage. Wir haben den Weg der Sozialpartnerschaft wieder gefunden. Wir sind jetzt im Interessenausgleich. Die Arbeitsbedingungen zu verändern, macht ja niemand leichtsinnig. Das sind Bedingungen, die wir entwickelt haben und die wir schützen. Ein Interessenausgleich ist immer ein Kompromiss, aber wir finden uns darin wieder.
Stichwort zurück zur Sozialpartnerschaft - ist das Tischtuch denn wieder geflickt?
Es ist eine grobe Naht. Dass wir uns bewegen müssen, ist und war uns immer klar. Das haben wir auch immer gezeigt im Prozess der Transformation. Jetzt muss der Arbeitgeber zeigen, dass er mit dem Werkzeugkoffer, mit dem wir ihn ausgestattet haben, auch arbeiten kann. Daran werden wir und auch die Kolleginnen und Kollegen, den Vorstand der DB Cargo in Zukunft messen.
Aus der FDP hieß es neulich, DB Cargo sei ein schwarzes Loch und müsse verkauft werden. Wie steht ihr dazu?
Manche Politiker:innen sollten sich mal an einem Werktag an eine Autobahn setzen und LKW zählen. Ein Verkauf der Cargo würde bedeuten, dass der Straßengüterverkehr noch mehr zunimmt, da ein Käufer nicht mehr alle Verkehre fahren würde. Cargo ist ein wichtiges Unternehmen in der deutschen Wirtschaft, das - wie auch die anderen SGV-Unternehmen im Rang der öffentlichen Daseinsvorsorge stehen sollte. Man bedenke, vor ein paar Jahren waren wir noch systemrelevant!
Zum Schluss noch etwas Persönliches. Du trittst die Nachfolge von Jörg Hensel an, der rund 25 Jahre GBR-Vorsitzender war. Wie fühlt sich das an?
Jörg hat viel für die Mitarbeitenden der DB Cargo erreicht und ich konnte in den letzten Jahren einiges von ihm lernen. Die Herausforderungen, die vor uns liegen, werden wir auf unsere Weise angehen. Während der Transformation haben Uli Schmidt und ich schon die Verhandlungen geführt, wir sind also in diese Rollen reingewachsen. Es wird weiter gehen, es wird anders weitergehen. Was mir wichtig ist: Wir haben einen sehr guten GBR und arbeiten hervorragend im Gremium zusammen. Gute Mitbestimmung ist für mich immer Teamwork und gerade das gelingt uns im Moment wirklich gut. Das gibt mir Zuversicht, dass wir so, wie wir momentan aufgestellt sind, auch durch diese Zeit kommen.
Also die Arbeitgeber sollten sich jetzt nicht die Hände reiben und sagen: Endlich ist der Hensel weg, mit dem Braun wird‘s einfacher.
Das kann er vielleicht kurz denken, aber da würde er schnell eines Besseren belehrt. Nochmal: Wir haben eine Betriebsänderung verhindert und damit dem Cargo-Vorstand aufgezeigt, dass wir nach wie vor einen streitbaren und engagierten GBR haben werden. Das sollte dem Vorstand zeigen, dass man auch mit der neuen Mannschaft ein Gegenüber hat, das Maß und Ziel hat. Einen Gesamtbetriebsrat, der sich mit aller Kraft für die Interessen der Beschäftigten einsetzt.