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Interview Familie und Frauen Senioren

Interview: „Wir haben das Privileg, unsere Demokratie zu verteidigen“

Eine „Frauen-imtakt“ geht natürlich nicht ohne Seniorinnen. Stellvertretend für viele politisch hellwache EVG-Senior:innen haben wir mit Ingrid Hipp gesprochen, Vorsitzende der Ortssenioren Karlsruhe. Eine Kollegin, die klar und deutlich ihre Meinung sagt.

Zum Beispiel beim digitalen Senior:innenstammtisch der EVG
„Da ging es um den Krieg in der Ukraine und da fing eine Diskussion an, die mir nicht gefallen hat. Einige Leute haben das Geschehen etwas relativiert und da habe ich mich zu Wort gemeldet. Und gesagt: Habt ihr denn schon vergessen, wer den Krieg angefangen hat? Wer in ein Land einmarschiert ist, das sich zur Demokratie bekennt? Ich verstehe nicht, dass EVG-Mitglieder es gutheißen können, dass Putin in der Ukraine wütet. Da werden junge Männer und Frauen in einen Krieg geschickt, da wird eine ganze Generation ausradiert. Und wofür? Nur dass Putin seine alte UdSSR wiederbekommt. Dann war erstmal Ruhe in der Runde, aber Cosima hat mir dann gleich eine WhatsApp geschickt und mir geschrieben, dass das ein kluger Beitrag gewesen sei.“

Über biografische Einflüsse, die sie geprägt haben
„Meine Großeltern haben im Böhmerwald gewohnt, mein Vater war der einzige aus der Familie, der nach dem Krieg geflüchtet ist. Die ganze restliche Familie ist in der CSSR geblieben und sie haben nichts Gutes erlebt. Als junge Gewerkschafterin war ich 1976 in der Sowjetunion. Wir hatten da einen guten Austausch mit russischen Gewerkschafter:innen, wir haben uns als junge Leute auch so manches zu fragen getraut. Wir hatten dort eine Reiseleiterin, die uns sehr zugewandt war, aber als wir mit dem Zug von Moskau nach Leningrad fuhren, war sie plötzlich durch eine andere, linientreue ersetzt worden. Das gab mir zu denken.“

Über Kriege in Europa 
„Ich hätte nicht gedacht, dass wir noch einmal mit einer realen Kriegsgefahr leben müssen. Auf dem DGB-Kongress 2022 war einer der eindrücklichsten Momente, als eine über 90-jährige Ukrainerin über den Kriegsalltag in Kiew berichtet hat. Und gesagt hat: Ich werde so lange leben, bis Putin weg ist. Und ich hoffe auf die russischen Frauen, die aufstehen und sagen: Schluss mit dem Krieg! Wir wollen unsere Männer, unsere Söhne wiederhaben.“

Über Frauen bei der Bahn
„Seit ich als junge Frau bei der Bundesbahn angefangen habe, hat sich viel getan. Aber was mich ärgert: Es gibt immer noch Vorgesetzte, die Frauen in Teilzeit benachteiligen. Da haben einige immer noch nicht gelernt, die Fähigkeiten von Frauen in Teilzeit zu fördern.“

Über die gegenwärtigen Demonstrationen in Deutschland
„Ich freue mich, dass viele EVG’ler in Karlsruhe an den Demonstrationen teilgenommen haben. Ich selbst war an diesem Tag am Bodensee, wo mein Sohn wohnt. Wir sind nach Überlingen zur Kundgebung gefahren. 300 Leute waren angekündigt, gekommen sind über 1.500. Da habe ich auch bewusst die „Omas gegen Rechts“ gesehen. Und das ist besonders toll, weil ausgerechnet Alice Weidel in Überlingen ihren Wahlkreis hat. Ich habe früher nie an Demonstrationen teilgenommen, außer wenn es um Frauenrechte ging oder wenn die EVG aufgerufen hat, für den integrierten Konzern zu demonstrieren. Aber jetzt und heute gehe ich auf die Straße, damit wir unsere demokratischen Rechte und Werte behalten.“

Über die Rolle der Gewerkschaften dabei
„Es ist schon gut, wenn die DGB-Gewerkschaften auf die Straße gehen. Wir haben ja auch eine Vorbild-Funktion. Als Gewerkschafter:innen sind wir ja auch Kämpfer:innen und wir kämpfen für unsere Demokratie.“
Über die AfD und ihre Anhänger:innen
„Verbieten ist schwierig, denke ich, und wir haben nun mal auch die Meinungsfreiheit. Ich wünsche mir auf jeden Fall, dass wir weiterhin Rückgrat zeigen. Es ist nervenaufreibend mit diesen Leuten zu diskutieren. Überzeugen wird man sie nicht können, aber reden muss man mit ihnen.“

Darüber, was jetzt passieren muss
„Es ist ein Ruck durch unsere Gesellschaft gegangen und wir dürfen jetzt nicht nachlassen. Wir haben heute das Recht und das Privileg, für unsere Demokratie auf die Straße zu gehen.“

Darüber, was man auf Reisen lernen kann
„Ich bin sehr reiselustig und war unter anderem in Südafrika. Da habe ich gelernt: Nachdem Nelson Mandela Präsident wurde, ließ er als erstes Brücken bauen. Um das Land, die Menschen wieder zusammenzubringen nach den Jahrzehnten der Apartheid. Und das brauchen wir auch heute wieder: Menschen, die Brücken bauen.“