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Sommertour 2023: „Wir brennen für die Eisenbahn“

Die „Sommertour“ des EVG-Vorstandes hat lange Tradition. Dabei haben wir bereits die verschiedensten Formate ausprobiert. In diesem Jahr wählte der EVG-Vorsitzende Martin Burkert den Ansatz, Kolleg:innen in verschiedenen Betrieben direkt am Arbeitsplatz zu besuchen.

Der Weg zwischen den neun Betrieben in Bayern haben wir mit dem Fahrrad und natürlich mit dem Zug zurückgelegt. Vormittags Gespräche am Arbeitsplatz, nachmittags auf schnellen Reifen mit Eisenbahner:innen und Eisenbahnern unterwegs: „Wir haben ein offenes Ohr für die Sorgen und Nöte unserer Mitglieder“, umreißt Martin Burkert die Idee. „Und nirgendwo können wir darüber besser sprechen als in der gewohnten Arbeitsumgebung.“

Tag 1
Auftakt in Plattling: Die 13.000-Einwohner:innen-Stadt in Niederbayern gilt als Eisenbahnstadt. Im 19. Jahrhundert hat der Aufschwung der Eisenbahn wesentlich zur Entwicklung der Stadt beigetragen. Heute ist hier noch ein elektronisches Stellwerk vorhanden und eine Betriebsstätte der DB Netz AG sowie der Bahnhof mitsamt dem Reisezentrum. Um dessen Erhalt kämpfen die EVG vor Ort und die Beschäftigten. Ende 2024 soll Schluss sein mit dem personenbedienten Verkauf, die Vorbereitungen für die Einrichtung eines Video-Reisezentrums laufen. „Dabei können wir hier über mangelnde Kundennachfrage nicht klagen“, sagt die junge Reiseberaterin, die wir im Reisezentrum antreffen. „An manchen Tagen kriegen wir die Leute kaum weg.“

7.000 Unterschriften für den Erhalt kleiner Reisezentren hat die EVG gesammelt. Dennoch sehen die jüngsten Ausschreibungen der Bayerischen Eisenbahngesellschaft (BEG) allesamt keine Reisezentren mehr vor. Wir besuchen auch das Stellwerk, die Leit- und Sicherungstechnik und die Niederlassung der Netz AG. Hauptthema der Kolleg:innen: der Personalmangel. „Von Plattling und Landshut aus werden 14 Bahnhöfe gesteuert“, berichtet der Personaldisponent. „Und hierfür fehlen mir 17 Fahrdienstleiter:innen. Die brauchen wir, um den Betrieb bei einem normalen Krankenstand aufrechtzuerhalten.“ Sein Betriebsrat ergänzt, dass auch sieben Weichenwärter:innen fehlen. „Die brauchen wir aber für einen sicheren Betrieb.“ Obwohl beide zugewiesene Beamte sind, ist für beide klar: Es muss deutlich mehr Wertschätzung her, um die Eisenbahnberufe wieder attraktiv zu machen.

Nach den Betriebsbesuchen geht es zurück auf die Fahrräder. Mehrere EVG-Kolleg:innen schließen sich dem Tross auf dem Weg nach Deggendorf und von dort mit dem Zug nach Regensburg an.

Tag 2
Den Abend des ersten Tages haben wir mit einem Mitgliedertreffen in Regensburg beschlossen. Am Morgen des zweiten Tour-Tages bekommen wir einen Eindruck davon, wie viele Rädchen ineinandergreifen, um Güter auf die Schiene zu bringen. Und wie kontraproduktiv es wäre, diese Maschinerie durch eine Zerschlagung des DB-Konzerns aus dem Takt zu bringen.
Ein Beispiel: Da will BMW, regional einer der Hauptkunden, Autoteile versenden, z.B. Autotüren. Dann ordert der Konzern leere Container bei DB Intermodal Services am Standort Regensburg. In den nahegelegenen BMW-Standorten werden diese beladen und mit dem Lkw wieder nach Regensburg gefahren, nun aber zur Deutschen Umschlaggesellschaft Straße-Schiene (DUSS). Dort werden die Container auf Güterzüge der DB Cargo verladen und von hier aus zu den Bestimmungsorten transportiert.

„Wir schlagen pro Jahr rund 120.000 Container um“, sagt der Standortleiter von DB Intermodal, Peter Schombierski. 45 Kolleg:innen arbeiten dafür im 3-Schicht-System. Und 8.500 Container werden hier jährlich nach dem Standard des Hauptkunden BMW repariert: Ein Service und nahezu ein Alleinstellungsmerkmal des Unternehmens. Hier kommt es auf das genaue Auge und das Wissen der Gabelstaplerfahrer:innen an, die jeden angelieferten Leercontainer genau prüfen. Denn was von außen wie eine leicht beschädigte „Stelle“ aussieht, kann von innen besehen schon ein Riss sein, durch den irgendwann Wasser eintreten und sensible Autoteile beschädigen könnte.

Weil hier alles bestens miteinander verzahnt ist, sind die Kolleg:innen bei DB Cargo, die wir ebenfalls besuchen, auch beunruhigt darüber, dass das Unternehmen die Auftragsbearbeitung von der örtlichen auf eine regionale Ebene heben will. „Ich habe jeden Tag zwei bis acht Kund:innen“, berichtet ein Kollege. „Was nützt denen ein Ansprechpartner in Ingolstadt? Die Kund:innen brauchen Ansprechpartner vor Ort.“ Wieder zurück am Hauptbahnhof, werden wir vom Stellvertretenden Bundesseniorenleiter Hans Neumann in Empfang genommen, der die Führung in Richtung Kelheim übernimmt.

Tag 3
Nachdem wir von Kelheim bzw. vom Bahnhof Saal an der Donau Ingolstadt erreicht haben, steht am dritten Tag ein besonderer Betrieb auf dem Programm: die Integrationswerkstatt. Der Ansatz: Wer, z. B. durch einen Arbeitsunfall, leistungsgemindert oder dienstuntauglich wird, kann hier einen neuen Arbeitsplatz finden. In Ingolstadt z. B. bei der Wartung von Feuerlöschern.
„Mit 5.000 Stück pro Jahr haben wir angefangen, mittlerweile warten wir 50.000 im Jahr“, empfängt uns der Betriebsratsvorsitzende Michael Viehweider. Hauptauftraggeber sind DB Regio, DB Fernverkehr und DB Netz sowie die Werke der DB FZI GmbH, aber zunehmend auch Busgesellschaften.

Aufgrund der Zahl der Mitarbeiten-den - in Ingolstadt arbeiten 14 Kolleg:innen - ist der Kundenkreis begrenzt. Wenn, sagt der Betriebsratsvorsitzende, „weitere Geschäftsfelder auf uns zukämen, würden wir das sicher sehr gerne prüfen.“ Laut Gesetz müssen Feuerlöscher alle zwei Jahre gewartet werden. Die Kolleg:innen hier in der Werkstatt überprüfen die Geräte nach DIN Norm innen und außen. Fabrikneue Feuerlöscher werden mit den vorschriftsmäßigen Prüf- und Instandhaltungsnachweisen versehen.
DB Fernverkehr ist bereits mit einem anderen Auftrag auf die Integrationswerkstatt zugekommen: der Wartung der Druckschutzklappen der ICE 1 und 3. Sie sorgen für den Druckausgleich, wenn der ICE mit Tempo 200 in einen Tunnel rauscht. 450 im Jahr schaffen die drei Kollegen, die hieran arbeiten. 

Am OV-Büro am Bahnhof Ingolstadt empfängt uns Günter Karl, Mitglied der Bundesseniorenleitung, und übernimmt die Führung nach Neuburg an der Donau.

Tag 4
Finale in Augsburg. Von Neuburg hat uns ein Zug der agilis in die Metropole von Bayerisch-Schwaben gebracht. Hier stehen am letzten Tag noch zwei Betriebe auf dem Programm. „Wir sind Komplettdienstleister für die Bahn“, sagt der Betriebsratsvorsitzende Ralf Baumeister bei der Niederlassung der DB Bahnbau Gruppe. Es wird viel gebaut bei der Bahn, und umso mehr schlägt genau in diesem Bereich der Fachkräftemangel negativ zu Buche. Konsequenz: „Die Leute arbeiten am Limit.“ Die Lösung ist für den Betriebsratsvorsitzenden so offensichtlich wie für uns: „Wir müssen die Leute besser bezahlen, vor allem in der Montage.“ Wir werfen einen Blick in die Moderne Ausbildungswerkstatt, hier werden immerhin rund 60 junge Menschen zu Baugeräteführer:innen, Fahrbahnmechaniker:innen oder Gleisbaumeister:innen ausgebildet.

In der Werkstatt nebenan werden die Maschinenfahrzeuge gewartet. Hier hat auch Ralf Baumeister gelernt. Zusammengenommen, sagt er, habe er hier mehr Zeit verbracht als zu Hause, denn: „Wir brennen für die Eisenbahn.“ Letzte Station ist die Werkstatt der Bayerischen Regiobahn. Hier arbeiten 90 Beschäftigte für Fristen und Reparaturen der Züge von BRB und BOB. Die beiden SPNV-Unternehmen gehören zum Transdev-Konzern und entsprechend ist der frische Tarifabschluss bei Transdev Hauptgespräch unter den Beschäftigten. Ein Kollege bemängelt die Plötzlichkeit und die Kommunikation des Abschlusses. „Wir verstehen die Diskussionen“, sagt Martin Burkert. „Von den Strukturverbesserungen im Gesamtwerk profitieren nicht alle gleichermaßen. Es ist eben unser Top-Thema Solidarität: die Starken ziehen die Schwächeren mit.“ Die beiden jungen Kollegen, die unterdessen zur Spätschicht eintreffen, sehen es positiv: „Alle bekommen mehr Geld, das ist doch gut.“ Sie selbst haben sich an allen Warnstreiks beteiligt, „wir waren die Männer mit den Tröten.“

Fazit: Neun Betriebe besucht, viele verschiedene Bahnhöfe gesehen, mit Zügen der DB, der agilis, von Go-Ahead und der Länderbahn gefahren. Frauen und Männer getroffen, die mit Herzblut für die Eisenbahn arbeiten und jede und jeder an ihrer/seiner Stelle stolz darauf sind, ihren Beitrag zu leisten. „Was hier überall geleistet wird, in allen Bereichen unseres Organisationsgebietes, das ist herausragend“, fasst Martin Burkert zusammen.