imtakt
Top Themen
Anmelden oder Registrieren

Soziales

Ehrenamt in der Sozialpolitik: „Soziale Selbstverwaltung ist zeitgemäß und wichtig“

Arbeitnehmer:innen reden mit in der Kranken-, der Renten-, der Pflege- und Unfallversicherung. Sichergestellt durch die soziale Selbstverwaltung in der Sozialversicherung. Zu Beginn der neuen Wahlperiode kamen auf Einladung der EVG und der EVA rund 80 Selbstverwalter:innen zu einer Fachtagung nach Magdeburg, um sich zu vernetzen und miteinander zu diskutieren: Was kann das Ehrenamt in der Sozialpolitik bewegen? Fünf Impulse aus fünf spannenden Tagen.

  1. Soziale Selbstverwaltung ist zeitgemäß und wichtig. Sie ist ein „Korrektiv im Interesse der Versicherten“, so Anja Piel, Mitglied im geschäftsführenden DGB-Bundesvorstand, in ihrem Impulsreferat. Beispiele dafür brachte sie aus ihrer eigenen Erfahrung bei der Bundesagentur für Arbeit mit. Und bei der BAHN-BKK konnten die Selbstverwalter:innen die Haushalte seit Jahren so beeinflussen, dass die Beitragssätze stabil blieben. Nur: Dies findet hinter den Kulissen statt und ist in der Öffentlichkeit und auch bei den Versicherten selbst kaum bekannt. Fazit: „Die Rolle der sozialen Selbstverwaltung“, so die stellvertretende EVG-Vorsitzende Cosima Ingenschay, „vor allem aber auch die Leistung der Kolleg:innen, die sich hier engagieren, muss bekannter gemacht werden.
  2. Die soziale Selbstverwaltung muss auch immer verteidigt werden. Denn natürlich hat sie auch Gegner:innen. Und vor allem sind ihre Spielräume durch die Politik in den vergangenen Jahren immer mehr eingeschränkt worden. Vieles, was eigentlich in den Selbstverwaltungsgremien diskutiert werden müsste, ist inzwischen gesetzlich vorgegeben. Auch haben die Bundesregierungen seit Jahren viele Gesetze zur gesetzlichen Krankenversicherung  erlassen, diese haben aber nur zusätzliche Ausgaben verursacht, die Einnahme-Kosten-Situation der Kassen wurde nicht verbessert. Hier muss künftig anders angesetzt werden: Der Staat muss auch finanzielle Verantwortung übernehmen, die Beitragsspirale darf nicht weiter steigen, Versicherte müssen entlastet werden. 
  3. Die Gewerkschaften müssen eine gestaltende Rolle in der sozialen Selbstverwaltung spielen. Selbstverwaltung „ist Mitbestimmung und insofern auch die DNA der Gewerkschaften“, so Anja Piel. „Wenn es um Demokratie geht, sind wir mitverantwortlich.“ Angesichts der finanziellen und strukturellen Probleme in den Sozialversicherungen sei die Selbstverwaltung aktueller denn je, bekräftigte Cosima Ingenschay. „Die Gewerkschaften zusammen mit den Mitgliedern in den Gremien müssen gegenüber der Politik deutlich machen: Hier sind unsere Versicherten, es geht um ihre Beiträge und deswegen haben sie Ansprüche.“ 
  4. Friedenswahlen sind eine gute Sache. Die Sozialwahlen bei der BAHN-BKK, der UVB und der KBS haben nicht als „Urwahlen“ stattgefunden, sondern die beteiligten Gewerkschaften haben sich im Vorhinein auf einen gemeinsamen Wahlvorschlag, auf eine Friedenswahl, geeinigt. Das ist auch gut so, denn, so das Beispiel des SPA-Vorsitzenden Robert Prill: „Bei der Struktur der Knappschaft-Bahn-See könnte eine Urwahl dazu führen, dass die Seeleute als kleinste Gruppe im Verbund nicht mehr  in den Gremien vertreten wären. Das wäre schädlich für ein solches Verbundsystem.“ „Auch bei den Friedenswahlen findet innerhalb der beteiligten Gewerkschaften ein demokratischer Auswahlprozess statt“, darauf wies Birgit Biermann, stellvertretende Vorsitzende unserer Schwestergewerkschaft IGBCE, hin. „Ich weiß nicht, was daran intransparent sein soll.“  Das Geld, das ansonsten für einen „Wahlkampf“ ausgegeben werden müsste, kommt besser den Versicherten zugute, und, so Birgit: „Wir können auf dieser Basis als Gewerkschaften auch gemeinsam viel besser im Sinne der Versicherten agieren.“        
  5. Die soziale Selbstverwaltung ist ein eminent wichtiges Feld für ehrenamtliches Engagement. Ehrenamtliches Engagement stärkt das Gemeinwohl und trägt elementar zum gesellschaftlichen Zusammenhalt bei. Leider hat die Pandemie auch in die Ehrenamts-Landschaft ihre Schneisen geschlagen, das zeigte die Diskussion in Magdeburg: Die Kommunikation ist schwieriger geworden, viele haben in dieser Zeit schlichtweg die Lust verloren, sich zu engagieren. „Vor allem der persönliche Kontakt hat gefehlt“, brachte es ein Kollege auf den Punkt. „Das müssen wir uns jetzt alles mühsam wieder zurückholen.“ Aber es gibt nicht nur Schatten. „Wir haben uns untergehakt und unter schwierigsten Bedingungen Verantwortung übernommen, das ist für mich auch ein bleibendes Merkmal der Corona-Zeit.“ Und natürlich wird bei EVG-Veranstaltungen nicht nur der Bestand aufgenommen, sondern auch immer über Perspektiven und Lösungen diskutiert. Roter Faden der Diskussion: mehr Vernetzung, mehr über die eigenen Aktivitäten reden und dabei auch die Sozialen Medien nutzen. Wir müssen ehrlich und authentisch sein und transparent erklären, was wir erreichen wollen und wie. Und, wie es ein Kollege auf einem Kärtchen schrieb: „Einfach tun! Ist nicht so kompliziert.“

Ich nehme viel Input mit. Wir müssen diese Themen mitnehmen und weiterverbreiten; es darf nicht sein, dass nur wenige Kolleg:innen davon wissen. Zum anderen habe ich hier einige getroffen, die ich schon von den Zukunftswerkstätten her kenne, aber auch neue Leute kennengelernt, von denen ich jetzt weiß, dass ich mich mit bestimmten Fragen auch an sie wenden kann. So eine Fachtagung ist eine Supermöglichkeit, ein Netzwerk aufzubauen.   

Meryem Öncü

Für mich war das hier in vielen Themen eine Auffrischung. Ich habe aber auch neue Kolleg:innen kennengelernt und merke wieder mal, dass es tolle Leute sind, die sich gewerkschaftlich ehrenamtlich engagieren. Da fällt es leichter, sich ein weiteres Mal aufstellen zu lassen, weil man eben Kolleg:innen hat, mit denen man auf derselben Wellenlänge zusammenarbeitet. 

Torben Jänsch