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Politik Wahlen

EU-Wahl: Jetzt kommt es auf uns an

Es ist weltweit eine der größten Wahlen: die Wahl zum EU-Parlament am 9. Juni. Wahlberechtigt sind an die 350 Millionen Menschen in 27 Ländern. 

Und wieder einmal hängt so viel davon ab: was die Zukunft des Schienenverkehrs betrifft, die Arbeitsbedingungen im Verkehrssektor, insbesondere die (Berufs-)Chancen von Frauen, unsere Chancen, den Klimawandel zu bekämpfen - aber auch die Frage, in welche Richtung sich die Europäische Union generell in unserer gegenwärtig aufgewühlten und zerrissenen Welt entwickelt: in Richtung mehr Zusammenhalt oder in Richtung mehr Spaltung? Wir alle haben es in der Hand, mit unserer Stimme darüber mitzuentscheiden.

Die EVG hat umfangreiche Anforderungen an die Parteien formuliert, die sich zu Wahl stellen. Wir fordern eine umwelt- und klimagerechte Verkehrspolitik in Europa für ein leistungsfähiges und nachhaltiges Mobilitätssystem mit guten, sicheren und sozial gerechten Arbeitsplätzen. Bahnen und Busse sind die Lösung, um die Klimaschutzziele im Verkehrssektor in Europa zu erreichen.
Wir erwarten von den neu- und wiedergewählten Mitgliedern des Europäischen Parlaments und von der Europäischen Kommission ein deutlich höheres Tempo:

  • um die Treibhausgasemissionen des Verkehrs schneller zu mindern 
  • und die EU-Klimaneutralität schon vor dem im Europäischen Green Deal festgelegten Zieljahr 2050 zu erreichen.  Schienenverkehr und ÖPNV müssen jetzt massiv ausgebaut werden – national und grenzüberschreitend. Das muss sich auch in der europäischen Mobilitätsstrategie widerspiegeln. Als Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft wissen wir: Ohne die Beschäftigten bei Bahnen und Bussen findet keine Verkehrswende statt. Deshalb muss eine klimagerechte europäische Verkehrspolitik die Menschen und den Wert ihrer Arbeit ins Zentrum stellen.

Unsere Forderungen kannst du hier in einer Kurz- und in einer Langfassung nachlesen. Hier kannst du auch die ausführlichen Statements aus unseren Partnergewerkschaften lesen.


Die Europawahlen beschäftigen die EVG auch in unserem Verkehrsausschuss. Bereits im Sommer 2023 haben wir dort die Forderungen der EVG diskutiert. Gute Verkehrspolitik geht nicht ohne Europa. Und hier ist einiges in der Pipeline. So plant die EU-Kommission aktuell, laxere Sprachanforderungen im Fahrdienst einzuführen. Diese Pläne stoßen im EVG-Verkehrsausschuss ebenso auf Ablehnung wie gefährliche Experimente mit Sprachcomputern und die Zulassung von klimaschädlichen Riesen-Lkw. Auch die anhängigen Beihilfeverfahren, die die Finanzierung des Schienengüterverkehrs in Deutschland und Frankreich betreffen, werden von der EVG kritisch und im Sinne der Beschäftigten begleitet.

Untermauert wurden diese Themen in der Frühjahrssitzung des Ausschusses in einer Diskussion mit Thomas Rudner (SPD), Mitglied im Ausschuss für Verkehr und Tourismus des Europaparlaments. In diesem Zusammenhang wurde die neoliberale Ausrichtung einiger EU-Institutionen sehr kritisch betrachtet. Diese sei, so Thomas Rudner, dem aktuellen Kräfteverhältnis im Europaparlament geschuldet. Wichtig sei deshalb, sich an der bevorstehenden Europawahl im Juni 2024 zu beteiligen, um die Mehrheiten zu verändern. Deutlich wurde in der Diskussion mit den Mitgliedern der EVG, dass viele einen Rechtsruck befürchten. „Deshalb ist es wichtig, die demokratischen Kräfte mit einer hohen Wahlbeteiligung zu stärken“, so Thomas Rudner.


In keinem anderen Bereich ist die Eisenbahn so europäisch wie im Güterverkehr. Klar, dass die Krise der größten europäischen Güterbahn, DB Cargo, auch die EU-Parlamentarier:innen interessiert. Mitte April haben Gewerkschafter:innen, Vertreter:innen von Unternehmen und EU-Politiker:innen in Brüssel über die Zukunft des Schienengüterverkehrs diskutiert.

  • Die Ertragssituation nicht nur von DB Cargo, sondern von allen Güterbahnen in Europa sind schlecht.“ Der Vorsitzende des Gesamtbetriebsrates von DB Cargo, Jörg Hensel, legte die Schieflage des Schienengüterverkehrs (SGV) insgesamt aus Sicht der Beschäftigten dar. Anders als im Lkw-Verkehr (Stichworte: Erhöhung der Achslasten, Strom-Oberleitungen für Lkw) seien im SGV Innovationen schlicht verschlafen worden. Die digitale automatische Mittelpufferkupplung sei die erste Innovation im SGV überhaupt, „und gefordert worden ist sie von den Gewerkschaften.“
  • Gegen die französische Güterbahn SCNF Fret hat die EU-Kommission ein Beihilfeverfahren eröffnet. Der Vorwurf: Der Mutterkonzern SNCF habe Verluste aus dem Güterverkehr übernommen; das sei eine unerlaubte Beihilfe. Im schlechtesten Fall kann so ein Verfahren auch der DB Cargo blühen. Sollte SNCF Fret gezwungen sein, Verkehre abzugeben, sei dies ein „Todesurteil“, so Hervé Pineaud von der französischen Gewerkschaft CGT Cheminots. „Ja, es sind 7 Milliarden Euro an Beihilfen geflossen. Aber dadurch konnte ein Modal Shift erreicht werden, der an externen Kosten des Lkw-Verkehrs 15 Milliarden Euro gespart hat. Auch das muss mit einberechnet werden.“
  • Livia Spera, Generalsekretärin der ETF, forderte ein Ende des Wettbewerbs-Dogmas. „Sich alleine auf den Markt zu verlassen, wird nicht funktionieren.“ Die Schiene, so Livia, „ist der umweltfreundlichste Verkehrsträger. Um die Klimaziele zu erreichen, brauchen wir Investitionen und strukturelle Veränderungen. Und wir müssen aufhören, kaputtzumachen, was funktioniert.“
  • Die Sicht der Güterverkehrskunden legten Dr. Nadine Artelt, CEO Saarstahl Rail & Saarstahl Ascoval, und Stephan Ahr, KBR-Vorsitzender des Unternehmens, dar: Der SGV ist eminent wichtig für funktionierende Lieferketten. „Wir arbeiten just in time, bei der Zulieferung und auch beim Transport unserer Produkte. Wenn da etwas ins Stocken gerät, ist unsere Produktion gefährdet.“
  • Für das EU-Parlament kritisierte der SPD-Abgeordnete Thomas Rudner die Entscheidung zur weiteren Freigabe von Gigalinern. „Der Güterverkehr auf der Straße wird so erleichtert- und gleichzeitig steigen die Trassengebühren auf der Schiene. Das kann ich überhaupt nicht verstehen.“ Hier müsse dringend nachgesteuert werden. Die Vision zeigte abschließend Jörg Hensel auf: Die Güterbahnen in Europa müssen mehr zusammenarbeiten, statt in Konkurrenz zueinander zu treten. Aber nicht nur sie: „Schiene und Lkw sind Konkurrenten, ja. Aber ich erwarte auch eine Verkehrspolitik, die beide Verkehrsträger vernetzt und endlich gemeinsam entwickelt.“