Zukunftsbündnis Schiene: Der Pakt ist besiegelt - nun muss er gelebt werden
Die Scheine soll DAS Verkehrsmittel des 21. Jahrhunderts werden. So steht es im „Schienenpakt“, den rund 30 Unternehmen und Verbände aus der Branche sowie das Bundesverkehrsministerium Ende Juni unterzeichnet und veröffentlicht haben. Wie dieses Ziel erreicht werden soll, steht im ebenfalls verabschiedeten „Masterplan Schienenverkehr“.
Mit der Unterzeichnung und Veröffentlichung dieser Dokumente findet ein anderthalbjähriger Diskussions- und Aushandlungsprozess ein vorläufiges Ende. Denn die Dokumente sind in den sechs Arbeitsgruppen des „Zukunftsbündnisses Scheine“ (ZBS) erarbeitet worden, zu dem Verkehrsminister Scheuer im Oktober 2018 eingeladen hatte. Vorläufig ist das Ergebnis deswegen, weil es jetzt in konkretes politisches und gesetzgeberisches Handeln umgesetzt werden muss. Es darf nicht bei einer „einmaligen Show des Bundesverkehrsministers Scheuer“ bleiben, so der Stellvertretende EVG-Vorsitzende Martin Burkert. „Das Bündnis muss weiter gehen und es muss nachhaltig entwickelt werden.“
„Wir sind uns einig in dem Ziel, bis 2030 doppelt so viele Bahnkundinnen und Bahnkunden im Schienenpersonenverkehr zu gewinnen sowie mehr Güterverkehr auf die umweltfreundliche Schiene zu verlagern und dessen Anteil am Modal Split auf mindestens 25 Prozent bis 2030 zu steigern.“ So steht es im „Masterplan Verkehr“. Die Verlagerung, heißt es weiter, „ist ein Schlüsselelement, um die Klimaschutzziele im Verkehrssektor zu erreichen.“
Erreicht werden sollen die Ziele durch folgende Maßnahmen(pakete):
Deutschland-Takt. Mit diesem Konzept soll ein deutschlandweit vernetztes Zugangebot mit optimierten Umstiegsmöglichkeiten und Anschlüssen zwischen Hochgeschwindigkeitsverkehr und SPNV entstehen. Jede Stunde zur selben Minute nicht nur von Westerland nach Passau und von Dresden nach Aachen - sondern auch von Holzkirchen nach Emden und von Chemnitz nach Trier. Dafür muss zunächst ein Zielfahrplan entwickelt werden, der dann zur Grundlage des weiteren Ausbaus der Schienenwege wird. Es wird also erst der Plan entworfen, welche Zugverbindungen man wann und wie haben will - und daran orientiert wird die Infrastruktur ausgebaut. Der Zielfahrplan, so steht es im Masterplan, „ist angebotsorientiert und schafft damit die Basis für die angestrebte Verdopplung der Fahrgastzahlen. Gleichzeitig berücksichtigt der Deutschlandtakt gleichberechtigt die für einen wachsenden Güterverkehr erforderlichen Streckenkapazitäten.“
Netzkapazität erhöhen. Der Deutschlandtakt und ein flüssiger Schienengüterverkehr können natürlich nur funktionieren, wenn die entsprechenden Kapazitäten in der Infrastruktur vorhanden sind. „Ohne einen deutlichen Ausbau der Kapazitäten kann eine Steigerung der Attraktivität und damit der Wettbewerbsfähigkeit der Schiene mit dem Ziel einer deutlichen Verkehrsverlagerung nicht gelingen.“ Dafür definiert der Masterplan eine Reihe von Großprojekten des Schienenwege-ausbaus, an denen festgehalten werden soll. „Zusätzlich sind auch die bislang nicht im Fokus stehenden kleinen und mittelgroßen Maßnahmen, mit denen kurzfristig ein Entlastungseffekt erzielt und die Zeit bis zur Fertigstellung der langfristig angelegten Großvorhaben überbrückt werden kann, in Angriff zu nehmen.“ Das kostet Geld: Mittelfristig sollen dafür 3 Milliarden Euro pro Jahr, zum Ende der 2020er Jahre 4 Milliarden Euro pro Jahr zur Verfügung stehen. „Idealerweise sollte dies unter Nutzung einer längerfristigen und verbindlichen Finanzierungsgrundlage (z.B. Fonds) erfolgen, um den Aufbau benötigter Kapazitäten zu erleichtern.“
Wettbewerbsfähigkeit des Schienenverkehrs stärken. „Die Verlagerung von Personen und Gütern auf die Schiene wird nur gelingen, wenn der Transport für Kundinnen und Kunden zuverlässig, komfortabel und preiswert erfolgt und attraktiver ist als die bisher genutzten Verkehrsangebote.“ Um die Attraktivität der Scheine zu erhöhen, sollen Potenziale im Verkehrsträger selbst ausgeschöpft werden wie z.B. eine Überprüfung des Trassenpreissystems oder eine Förderung der Anlagenpreise (analog zur Förderung der Trassenpreise im Güterverkehr, wie sie bereits seit 2019 besteht). Aber die Schiene ist auch im Vergleich zu anderen Verkehrsträgern mit Kostenstrukturen belastet, die sie teuer machen. Auch da will das ZBS mit ausdrücklicher Zustimmung des Verkehrsministeriums ran: „Entlastung durch Reduzierung der Dreifachbelastung aus bevorzugt Stromsteuer, EEG-Umlage und Umlagen aus dem Emissionshandel“.
Mehr Lärm- und Klimaschutz im Schienenverkehr. Mehr Verkehr auf die Schiene zu bringen, wird nur funktionieren, wenn die Akzeptanz in der Bevölkerung da ist. Dafür muss der Schienenlärm reduziert werden. „Aktuell geht es um die Halbierung des Schienenlärms bis 2020 und die Umsetzung des Verbotes lauter Güterwagen ab dem Fahrplanwechsel 2020/2021.“ Auch der Baulärm bei Schienenausbauprojekten soll durch gezielte Maßnahmen reduziert, die Wagenparks sollen modernisiert werden. Und im Klimaschutz hat der Verkehrsträger Schiene zwar schon lange die Nase vorn - aber auch hier gibt es noch Luft nach oben. „Dafür stehen zwei Hebel zur Verfügung: die Erhöhung des Anteils an erneuerbaren Energien sowie die Reduzierung des Energieverbrauchs, damit der Schienenverkehr insgesamt energieeffizienter und emissionsärmer wird.“ Im Klartext soll der Elektrifizierungsgrad der Schieneninfrastruktur von derzeit 61 % bis 2025 auf 70 % entwickelt werden.
Mehr Innovation. Ziel ist, „eine neue Innovationsdynamik für das Bahnsystem sowohl durch den Bund als auch durch den Sektor auszulösen.“ Dafür sind erste wichtige Schritte schon getan, nämlich die Gründung des Deutschen Zentrums für Schienenverkehrsforschung (DZSF) und durch das Bundesforschungsprogramm Schiene. Angestrebt sind konkret drei Ziele: Fahrzeugeffizienz durch neue Motoren, neue Werkstoffe und neue Konstruktionsweisen; Verwendung von umweltschonender Energie durch neue Kraftstoffe und Antriebssysteme; bessere Nutzung von Netzen und sichererer Betrieb durch Informations- und Kommunikationssysteme.
Fachkräfte gewinnen. Der Verkehrsträger Schiene wird nur eine Zukunft haben mit ausreichend Personal, mit motivierten und gut bezahlten Beschäftigten. Gleichzeitig verändern sich derzeit durch die Digitalisierung die traditionellen Berufsbilder bei den Bahnen. Das ist aber auch eine besondere Chance. Im Wettrennen „um die besten Köpfe“ sind vor allem die Unternehmen gefordert, die Attraktivität der Arbeit „bei der Bahn“ zu erhöhen - durch „erstklassige Möglichkeiten der Ausbildungs- und Weiterbildung, attraktive soziale und betriebliche Rahmenbedingungen sowie eine der hohen Qualifikation angemessene Vergütung“.
Fazit. Was ist nun von den Ergebnissen des ZBS zu halten? Aus Sicht der EVG sind drei Punkte wichtig:
1) Insgesamt sind die Ergebnisse positiv zu werten. Die EVG konnte in den Arbeitsgruppen viele Themen in die Abschlussdokumente hineinverhandeln. Positiv auch: Das Bundesverkehrsministerium ist ausdrücklich Teil des ZBS.
2) Kurzfristig müssen die formulierten Maßnahmen nun konkretisiert und in Gesetzesform gebracht bzw. politisch umgesetzt werden.
3) Aus Sicht der EVG reichen die beschlossenen Maßnahmen allerdings nicht aus, um eine echte Verkehrsverlagerung zu bewirken und damit die Klimaziele der Bundesrepublik zu erreichen. 3bzw. 4 Milliarden Euro pro Jahr für den Ausbau des Schienennetzes sind gut, aber nicht genug. Dafür sind weitere Maßnahmen erforderlich, die nicht nur den Verkehrsträger Schiene betreffen. Das Masterplan Schienenverkehr ist ein guter Ansatz - ein Masterplan Verkehr ist aber weiterhin erforderlich, um auch die Rollen der anderen Verkehrsträger zu beschreiben, die sie im Verkehrssystem künftig einnehmen sollen.