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Betriebsratsarbeit: „Kaum noch Miteinander“

Wohin es führt, wenn in einem immer komplexer werdenden Konzern sich niemand mehr zuständig fühlt, war in diesem Frühjahr in Thüringen zu beobachten. Am Ende waren es die EVG-Betriebsrät:innen der InfraGo, die das Thema durch ihre Initiative gelöst haben. 

Dass sich niemand verantwortlich fühlt, hat die Kolleg:innen am meisten geärgert“, sagt Betriebsrat Dietmar Ernst. Wir stehen an einem trüben Montagmittag im März am wenig einladenden Güterbahnhof in Saalfeld. Riesige Mengen an Holzstämmen türmen sich vor uns auf. Gleich an drei Gleisen werden diese auf Güterzüge verladen. 

„Seit schwere Stürme für erheblichen Windbruch gesorgt haben, wird der Thüringer Wald auf der Schiene nicht nur in Sägewerke und Papierfabriken gefahren, sondern auch in die Seehäfen, zum Export, beispielsweise nach China“, erklärt Dietmar Ernst. Verdienen wolle daran jeder, aber für einen geordneten Betrieb sorge keiner, klagen die betroffenen Kolleg:innen. Erst auf Initiative der EVG-Betriebsrät:innen hätten wochenlang bestehende Missstände beseitigt werden können. 

Zentimeterhoher Modder

„Knöcheltief stand das Wasser auf der Straße und auf dem Gehweg, weil Rindenstücke, die von den Lastwagen gefallen sind, die Gullys verstopft haben“, sagt Denny Breitschneider und zeigt auf den erst vor kurzem gereinigten Gehweg. „Von unserer Dienststelle bis runter zur Verladung war nach starken Regenfällen alles zentimeterhoch mit Modder bedeckt. Teilweise hat sich die Straße in eine riesige Seenlandschaft verwandelt“, erklärt er und zeigt auf seinem Handy ein Foto, das einen tief im Wasser stehenden Reifen zeigt.

Immer wieder habe er sich beschwert und darauf gedrängt, dass es so nicht bleiben könne. „Anders als in früheren Zeiten gibt es kaum noch ein Miteinander. Jeder Unternehmensbereich schiebt von sich weg, was möglicherweise Kosten verursacht. Da kannst du nicht einfach mal fragen, ob die Instandhaltung einen Bagger schicken kann“, erklärt Betriebsrat Dietmar Ernst. 

Die Schwierigkeit in Saalfeld: das Gelände, auf dem die Baumstämme verladen werden, gehört DB Immobilien. Die hat es an DB Cargo vermietet, die die Nutzung einzelner Anlagen gegen Geld privaten Unternehmern überlässt. „Wer ist da zuständig für Fragen wie Abfallentsorgung, Bereitstellen von Toiletten oder das Abstellen der schweren Lastwagen“, fragt Denny Bretschneider. 

Gut 20 Lastwagen frequentieren pro Tag das Betriebsgelände. Doch niemand fühlt sich für die Fahrer:innen und deren Bedürfnisse zuständig. Meistens aus dem Osten Europas kommend, bleiben sie sich selbst überlassen. 

Ein Festakt mit Folgen

Neuerdings sorgt Flatterband dafür, dass die Zufahrtstraße nicht mehr komplett zugeparkt wird. Ein Zaun grenzt nun das Werksgelände optisch ein. Und auch die großen Pfützen am Zugang zum Betriebsgelände von DB Netz in Saalfeld sind mittlerweile verschwunden, nachdem sich die Betriebsrät:innen der EVG der Sache angenommen hatten. „Wir haben, mit Unterstützung des Thüringer Landesverbandes der EVG, den Festakt zum ersten Spatenstich für das geplante Zukunftsprojekt ‚DB Campus’ Anfang Februar in Erfurt zum Anlass genommen, in den örtlichen Medien die Diskrepanz zwischen solchen Hochglanz- Plänen und den immer noch auftretenden Unzulänglichkeiten vor Ort öffentlich zu machen“, erklärt Matthias Altmann, Vorsitzender des Betriebsrates. „Das hat natürlich innerhalb des Unternehmens für einige Unruhe und reichlich Ärger gesorgt, aber das halten wir Betriebsrät:innen aus“, sagt er schmunzelnd. Denn endlich tat sich was. 

Der zentimeterhohe Modder aus nasser Baumrinde wurde beseitigt, der Kanal gesäubert, so dass das Regenwasser wieder abfließen kann. Gleichzeitig wurde ein Konzept entwickelt, wie der Standort Saalfeld weiterentwickelt werden soll. „Ich hoffe, dass das alles von Dauer ist“, macht Denny Bretschneider deutlich. „Unsere Ansprechpartner bei DB InfraGo waren zwar willig und haben letztlich auch Geld in die Hand genommen, das heillose Wirrwar an Zuständigkeiten und Nicht-Zuständigkeiten ist aber nicht hilfreich, um schnelle Entscheidungen im Sinne der Beschäftigten zu treffen“, fasst Matthias Altmann zusammen.

Endlich wieder fließend Wasser im Stellwerk

Trotzdem können die EVG-Betriebsrät:innen einen weiteren Erfolg vermelden: im Wärterstellwerk in Wünschendorf gibt es jetzt wieder fließend Wasser sowie eine behelfsmäßige Toilette. Auf beides mussten die Kolleg:innen über Wochen verzichten. Erst nachdem auch diese unhaltbaren Zustände durch die EVG öffentlich gemacht wurden, konnte die örtliche Leitung die Beseitigung der Mängel erwirken. 

„Manchmal müssen wir den Verantwortlichen unerschrocken auf die Füße treten, wenn sich sonst nichts bewegt. Schließlich ist es unsere Aufgabe, die Interessen unserer Kolleg:innen zu vertreten. Das haben wir gemacht. Dafür wurden wir gewählt“, so EVG-Betriebsrat Dietmar Ernst.