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Politik

Jahr der Schiene, Jahr der Bundestagswahl: Was jetzt getan werden muss 

2021 wird ein spannendes und ein besonderes Jahr. Nicht nur wegen der anhaltenden Corona-Pandemie, sondern auch wegen politischer Weichenstellungen. Sie entscheiden auch über die Zukunft des Verkehrsträgers Schiene.

So hat die Europäische Union 2021 offiziell zum Europäischen Jahr der Schiene erklärt. Ziel: die Schiene als attraktiven Verkehrsträger im Sinne der EU-Klimaziele zu fördern. Die EVG und unser europäischer Dachverband ETF (Europäische Transportarbeiterföderation) begrüßen diese Initiative und haben dazu eine gemeinsame Position der europäischen Eisenbahngewerkschaften erarbeitet.

Mit dem „Jahr der Schiene“ wird die Schlüsselrolle der Bahn bei der Umsetzung des Europäischen „Green Deals“ unterstrichen. Der „Green Deal“ ist integraler Bestandteil der Strategie der EU-Kommission zur Umsetzung der Agenda der Vereinten Nationen für 2030. Das Ziel ist, bis 2050 eine klimaneutrale Europäische Union zu erreichen. Und hier spielt der Verkehrsbereich natürlich eine Schlüsselrolle (imtakt berichtete im November 2020). Denn der Verkehrssektor ist allein schon für ein Viertel aller Treibhausgas-Emissionen in der EU verantwortlich. Daher ist unter anderem eine beschleunigte Umstellung auf nachhaltige und intelligente Mobilität erforderlich. Die Schiene muss daher als einer der umweltfreundlichsten und energieeffizientesten Verkehrsträger eine bedeutende Rolle bei der Reduzierung der Verkehrsemissionen spielen.


Ein Schwerpunkt muss jedoch auch auf dem Bahnpersonal liegen, das den reibungslosen Betrieb der Eisenbahnen ermöglicht. Und das insbesondere unter den schwierigen Bedingungen der Pandemie. Europa bis 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent zu machen, funktioniert nur, wenn die Verkehrspolitik die rund 10 Millionen Verkehrsbeschäftigten und ihre Arbeitsbedingungen in den Mittelpunkt rückt. Sozialdumping und schlechte Arbeitsbedingungen, vor allem für Frauen, müssen beendet werden. Die EVG und die ETF fordern daher, dass das „Jahr der Schiene“ zugleich auch ein „Europäisches Jahr der Eisenbahner*innen“ sein muss.

Nur das Engagement der Beschäftigten garantiert das reibungslose Funktionieren der Bahn. Während der Covid-19-Pandemie ermöglichen die Eisenbahnbeschäftigten die Aufrechterhaltung der Verkehrsdienste im Personen- und Güterverkehr. Sie stehen an vorderster Front, in direktem Kontakt mit den Fahrgästen und sie laufen Gefahr, sich bei der Ausübung ihrer täglichen Arbeit mit dem Virus zu infizieren. Sie sind Schlüsselarbeitskräfte, die dafür sorgen, dass lebenswichtige Güter und medizinisches Personal ihr Ziel erreichen. Das muss anerkannt werden.


Bundestagswahl ist Richtungswahl

Mag aber die Pandemie-Krise irgendwann zu Ende sein, die Klimakrise bleibt. Daher erwarten wir von der Politik in diesem Jahr einen Neustart der Verkehrspolitik, bei dem die Schiene als Rückgrat der klimagerechten Verkehrswende Vorfahrt haben muss. Und dies insbesondere im Jahr der Bundestagswahl. Dafür müssen Beschäftigung gesichert und ausgebaut, Investitionen vorangetrieben und Wettbewerbsnachteile der Schiene gegenüber der Straße konsequent abgebaut werden. 

Wir sehen diese Wahl als eine entscheidende Richtungswahl für gute Arbeit, Klimaschutz und eine zukunftsgerechte Mobilität. Zugleich sehen wir uns als EVG für den bevorstehenden Bundestagswahlkampf und als gestaltende Kraft der Verkehrspolitik in Deutschland gut aufgestellt. Dafür stehen z.B. die Gespräche, die der Stellvertretende EVG-Vorsitzende Martin Burkert mit den Verkehrsminister*innen der Bundesländer führt. Die Reihe der Gespräche hat im Sommer vorigen Jahres begonnen und ist Mitte Januar fortgesetzt worden, mit einem virtuellen Treffen mit der Bremer Verkehrssenatorin Maike Schaefer, die seit Jahresbeginn auch Vorsitzende der Verkehrsminister-Konferenz ist.


Für unseren Anspruch, gestaltende Kraft zu sein, steht aber auch der Verkehrs­politische Ausschuss (VA). In diesem Gremium, einem Ausschuss des Bundesvorstandes, haben sich verkehrspolitisch interessierte und engagierte Kolleginnen und Kollegen zusammengefunden, um die Positionen der EVG zu diskutieren und zu formulieren. Zu den aktuellen Aktivitäten dieses Gremiums gehört die Formulierung der verkehrspolitischen Forderungen der EVG an die Parteien im Vorfeld der Bundestagswahl. Zum anderen knüpfen wir mit Blick auf die Wahl bereits Kontakte zu den demokratischen Parteien. Ein wichtiges Scharnier hierbei bilden die parteipolitisch engagierten EVG-Mitglieder. So gab es bereits Mitte Dezember 2020 ein Treffen des VA mit Kolleginnen und Kollegen, die sich bei Bündnis 90/Die Grünen engagieren. Ein bewusst gewählter Auftakt, denn B90/Grüne machen sich durchaus Hoffnungen auf eine Beteiligung an der neuen Bundesregierung – und konkret auch darauf, das Verkehrsministerium zu übernehmen. Die Auseinandersetzung mit grünen Positionen birgt allerdings auch einigen Zündstoff.

Für die EVG ist klar: Das Jahr der Schiene muss der Auftakt sein für ein Jahrzehnt der Schiene. Und wenn die Politik es ernst meint mit den Bekenntnissen zum Klimaschutz und zu klimafreundlicher Mobilität, dann müssen jetzt die Signale auf Vorfahrt für die Schiene gestellt werden.


Meinungen ... 


Ich finde es richtig und zwingend notwendig, wenn sich meine Gewerkschaft „verkehrspolitisch“ engagiert und das nicht nur in einem Wahljahr. Verkehrspolitische Projekte brauchen einen langen Atem, von der Ideengebung über Machbarkeits- und Wirtschaftlichkeitsüberlegungen bis hin zur politischen Einflussnahme und letztendlich zur Umsetzung. Als Verkehrspolitischer Sprecher des LV Mecklenburg-Vorpommern (über 30 Jahre als Zugbegleiter im FV) ist es wichtig, nicht nur große Knotenpunkte und Magistralen im Blick zu haben, sondern auch Regionen zu beachten, die nicht so eine hohe Bevölkerungsdichte haben. Denn auch in einem Flächenland gibt es Wirtschaftszentren, die für die jeweiligen Regionen wichtig sind. Darüber hinaus ist die Ostsee nicht nur Feriengebiet für Urlauber*innen, sondern vor allen Dingen Verkehrsader zwischen Mitteleuropa und Skandinavien sowie den Baltischen Staaten und der gerade sich neu entwickelnden Seidenstraße. 

André Nagel

Ich engagiere mich im Verkehrsausschuss, weil ich für Vielfalt in den Ausschüssen bin. Jetzt ist neben der männlichen Fraktion auch eine junge Frau vertreten. Themenschwerpunkte für mich sind u.a., wie wir den öffentlichen Verkehr attraktiver gestalten und familienfreundlich machen können. Es muss möglich sein, dass Familien ohne große Barrieren ihren Urlaub/Freizeitausflug mit dem öffentlichen Personennah- und Fernverkehr antreten können und nicht mit dem Auto. Dabei spielt der finanzielle Aspekt eine wichtige Rolle: Öffentliche Verkehrsangebote müssen nicht nur für alle erschwinglich sein, sondern auch in Relation zum privaten Verkehr günstiger sein. Zudem müssen wir gegenüber der Politik weiter mit viel Druck fordern, dass mehr Verkehr von der Straße auf die Schiene verlagert wird. Hier werden im Bundeshaushalt die Schwerpunkte immer noch falsch gesetzt. Auch dürfen wir uns nicht weiter vertrösten lassen, das Regionalisierungsmittel immer wieder zweckentfremdet werden, ohne dafür eine adäquate Gegenleistung zu erhalten. Hier braucht es weiteren Druck seitens der EVG auf die Politik.

Janina Pfeiffer

Agieren ist besser als Reagieren. Ich engagiere mich im Verkehrspolitischen Ausschuss der EVG, weil ich hier die Chance sehe, mitzugestalten und die Politik zu beeinflussen, die für uns wichtigen Themen in unserem Sinne zu entwickeln. Dabei geht es mir vor allem um fairen Wettbewerb. Es darf nicht sein, dass bei Ausschreibungen im Busbereich nur der niedrigste Preis zählt und Themen wie Qualität der Leistung, Arbeitsbedingungen und Ausbildung keine Rolle spielen. Leider ist die Novelle des Personenbeförderungsgesetzes enttäuschend ausgefallen. Aber Aufgeben ist für mich keine Option: Wir gehen jetzt, gemeinsam mit mobifair, zu den Landratsämtern und versuchen sie in Einzelgesprächen zu überzeugen, die Ausschreibungen sozial und arbeitnehmerfreundlich zu gestalten.

Achim Schraml

DB zerschlagen? Falsch und gefährlich!
Kurz vor dem Jahreswechsel haben Bündnis90/Die Grünen ihr Konzept für die künftige Gestaltung des Schienenverkehrs in Deutschland vorgelegt. Das Papier enthält viel Richtiges, u.a. das Ziel, mehr Verkehr auf die Schiene zu verlagern - aber auch Forderungen wie die, den integrierten Bahnkonzern zu zerschlagen und diverse Tochtergesellschaften der DB AG zu verkaufen, u.a. alle internationalen Töchter. Für die EVG kann es daher nur eine klare Position geben: „Die Pläne der Grünen sind falsch und gefährlich“, so der EVG-Vorsitzende Klaus-Dieter Hommel. 

Unter anderen wollen die Grünen bei der Deutschen Bahn Netz und Betrieb aufspalten und damit faktisch den Konzern zerschlagen. „Das ginge zu Lasten des Schienenverkehrs insgesamt und zu Lasten der Beschäftigten.“ Die EVG hat bei der Deutschen Bahn über Jahre hinweg einen funktionierenden konzernweiten Arbeitsmarkt entwickelt, der mit der Zerschlagung seine Grundlage verlieren würde. Leidtragende wären die Beschäftigten.


Zwischen den verkehrspolitischen Positionen der Grünen und der EVG gibt es viele Gemeinsamkeiten – und ein paar strittige Punkte. Wir müssen über beides reden. Hinter der Forderung der Trennung von Netz und Betrieb stehen Annahmen, die ich für falsch halte. Es ist unsere gemeinsame Aufgabe, diese Annahmen durch gute Argumente zu entkräften. Wichtig ist, dass EVG und Grüne im Dialog bleiben und gemeinsam Vorschläge für notwendige Veränderungen im Verkehrssystem entwickeln.

Jacob Spanke, „grüner“ EVG‘ler und Wissenschaftlicher Mitarbeiter GBR DB Cargo

„Wer dann noch über eine Beschränkung auf das Kerngeschäft in Deutschland redet, hat das Thema Mobilität nicht verstanden – Mobilität kennt keine Grenzen“, so Klaus-Dieter Hommel. „Um den Schienenverkehr insgesamt nach der Corona-Pandemie wieder voranzubringen, brauchen wir starke funktionierende und wirtschaftlich erfolgreiche Unternehmen – und keinen künstlich geschwächten und zurechtgestutzten Rumpf-Konzern."