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Politik

Zwei Gleise – eine Richtung: „São Paulo oder Bautzen?“

Vor gut 18 Jahren - noch während seiner Ausbildung - begann Florian Azirovic sich für die Interessen der Beschäftigten einzusetzen. Heute ist er Referent des GBR von DB Cargo. Politisch engagiert sich Azirovic parallel für Die LINKE im Verkehrsausschuss der Stadt Mainz. Der 34-jährige ist ein Macher, den wir unbedingt in unserer Serie „Politiker*in und EVG-Mitglied: Zwei Gleise - Eine Richtung“ vorstellen wollten. 

Wer ist Florian Azirovic? Kurz: ein Gewerkschafter mit einem enormen Wissens- und Erfahrungsdrang. Zur Eisenbahnerfamilie kam er 2003. Seine bisherigen Stationen zählt er im Schnelldurchlauf so auf: „Reiseberater, später Zugchef, Beitritt zur TRANSNET, Gewerkschaftssekretär, KBR DB AG, EVA Akademie, IG Metall Ostsachsen und seit drei Jahren Referent des GBR DB Cargo“.

Sich der Mitbestimmung zu widmen, kam aus eigenem Antrieb bereits während der Ausbildungsjahre. Als Mitglied der TRANSNET habe er erkannt, dass die Kräfteverhältnisse zwischen Beschäftigten und Arbeitgebern zu ungleich ausschlagen. Veränderungswille und Gerechtigkeitssinn veranlassten ihn im Laufe der Zeit, sich politisch zu engagieren. In Gewissenskonflikte komme er als Parteimitglied von Die LINKE nicht. Dennoch sei es mitunter anstrengend, Schnittstellen zu entwickeln. „Nur immer auf die eigene Haltung zu pochen, bringt uns als Gesellschaft nicht weiter; vielmehr aber gemeinsam entwickelte Ziele.“ Parteipolitisch würden unterschiedliche Positionen mehr zerpflückt, als eine gemeinsame Mitte versucht zu finden. Ebenso sollte das System Eisenbahn in der politischen Diskussion als Ganzes und weniger getrennt - als DB AG/NE-Bahnen - betrachtet und diskutiert werden.  

In die Zukunft geblickt, wünscht er sich als Politiker der LINKEN die Bahn aus einer Hand. „An diesem großen bahnpolitischen Thema werden wir als Partei gemessen“. Wenig begeistert ist er vom Verhalten der LINKE in Berlin beim Thema S-Bahn-Ausschreibung, die das teils unsozial gestaltete Verfahren mit der Landesregierung mitträgt. „Hier machen wir uns eher unglaubwürdig, als dass wir uns treu bleiben.“ 

Aus Sicht der Mitbestimmung sieht er Verbesserungsmöglichkeiten vor allem im Bereich der Digitalisierung. Hier würden zwei Welten aufeinander prasseln: „Wille und (fehlendes) Verständnis“. Neuerungen, für die Jahre gebraucht wurden, um sie zu entwickeln, sollen die Beschäftigten innerhalb weniger Stunden verstehen und einsetzen. „Gerade die dienstälteren Kolleginnen und Kollegen sehen darin eine große Herausforderung“. Die Rechnung „Digitalisierung nimmt uns Arbeit ab“, gehe nicht überall auf, so Florian. „Handschuh ausziehen für den Touchscreen, klick, Handschuh wieder an, dauert drei Minuten. Das multipliziert mit 10 Mitarbeitenden Mal 50 Klicks auf den Bildschirm pro Schicht, fehlen etliche Minuten Arbeitszeit. Das übersehen Entwickler am Schreibtisch einfach.“  

„Nur mit einem verwertbaren Nutzen ohne nennenswerten Mehraufwand wird Digitalisierung überall Erfolg haben.“ Für Azirovic ist klar, „die Beschäftigten müssen überhaupt viel mehr mitgenommen werden“. Wenn sich nur Führungskräfte mit Projektleitern austauschen, sei das der falsche Weg. „Niemand will für den Papierkorb arbeiten. Deswegen müssen die Beschäftigten als Teil des Ganzen gesehen werden.“ 

Sein ganz großer Wunsch für die Zukunft ist ein wirklich großer - in Umfang und zu erwartender Wirkung: ein einheitlicher Europa-Lohn für den Eisenbahnbereich. „Europäische Vielfalt ist gut. Aber mehr Gemeinsamkeiten sind besser.“ Auch deswegen möchte Azirovic irgendwann noch berufliche Erfahrungen im europäischen Ausland sammeln. Einmal hatte er ein solche Chance vergeben, bedauert er: „Entweder zur IG Metall nach Ostsachsen oder zur Rosa-Luxemburg-Stiftung nach São Paulo?“ – entschieden hatte er sich als Gewerkschafter für Bautzen, lacht er.