Zwei Gleise – eine Richtung: „Hier qualmt nix mehr. Hier rauchen Köpfe.“
Vor 47 Jahren wurde er in die Eisenbahnerfamilie aufgenommen. Seitdem ist er überzeugtes Gewerkschaftsmitglied. Politisch ist er in der SPD fest verankert. Seine Ziele für Beruf und Privatleben sind klar definiert. Der 1. Bürgermeister der Stadt Dortmund ist einer der engagiertesten Menschen in unserer Serie „Politiker*in und EVG-Mitglied: Zwei Gleise - eine Richtung“: Norbert Schilff.
Unser Gespräch beginnt mit einem kuriosen Fakt: Als er im September 1974 als Bundesbahn-Aspirant begonnen hatte, war er bereits Gewerkschaftsmitglied. „Außer für Loks fahren konnte man nach der dreijährigen Ausbildung für so gut wie alles eingesetzt werden.“ Man habe nach den drei Jahren beispielsweise als Fahrdienstleiter, Aufsicht oder in der Güterabfertigung eingesetzt werden können. „Eine erlernte Vielseitigkeit, die heute oftmals fehlt“, so Schilff. Was ihm hingegen überhaupt nicht fehlt, ist das Eisenbahner-Gen: Vater, Großvater, Urgroßvater, Mutter, Bruder. Alle sind Eisenbahnerin oder Eisenbahner gewesen. „Schon zu Zeiten der königlich preußischen Staatseisenbahn war jeder in unserer Familie gewerkschaftlich organisiert“, betont Norbert stolz.
Seit seinem 15. Lebensjahr musste Schilff sein Leben ohne Eltern meistern. Als Vollwaise erfuhr er damals bereits die „uneingeschränkte Solidarität der Eisenbahnerfamilie“. Für ihn war seitdem auch klar, einer Gewerkschaft anzugehören. Im Ruhrpott seiner Zeit eine Selbstverständlichkeit, bei der Vielzahl der vorhandenen Industriezweige, wie u.a. Kohleförderung und Stahlproduktion. „Für mich war es keine Frage, Mitglied einer Gewerkschaft zu werden“. Erst sei es der Spaß am Mitmachen gewesen. Mit der Zeit reichte ihm das nicht mehr aus, dann wollte Norbert mitbestimmen und engagierte sich mehr und mehr aktiv, u.a. als Betriebsrat bei der Netz AG und als Vorsitzender des OV Dortmund. Heute fühlt er sich nach wie vor gut aufgehoben.
Trotz seines intensiven Politikeralltags nimmt er immer noch Aufgaben als Gewerkschafter wahr. Die EVG ist für ihn eine fortschrittliche Gemeinschaft, mit der er sich sehr wohl fühlt. Unverständlich für ihn sei die angeheizte Stimmung gegen die EVG. „Gewerkschaftspolitisch eine Katastrophe“, so Schilff. Offenbar sei es für die andere Organisation die erklärte Hauptaufgabe, auf der EVG herumzuhacken. „Die haben es nicht verstanden“, kritisiert er. „Meinetwegen gibt es zwei Gewerkschaften. Dann aber mit einer starken Stimme sprechen. Ansonsten freut sich nur der Arbeitgeber“.
Seit November 2020 ist Norbert Schilff 1. Bürgermeister von Dortmund. Seine politische Laufbahn begann im Alter von 20 Jahren und die verdankt er auch der Gewerkschaft, sagt er. Heute versucht er verkehrs-, vor allem bahnpolitische Themen im Zusammenhang zu betrachten und zu bewältigen. So setzt er sich aktuell für einen fairen Wettbewerb bei den Verkehrsunternehmen in NRW ein. Dazu gehört eine Muss-Regelung beim Thema Personalübergang bei Betreiberwechsel. „In den vergangenen Jahrzehnten ist das Thema deutlich zu kurz gekommen. Jetzt stehen wir als VRR kurz davor, das zu ändern“. Daran hat auch die EVG einen Riesen-Anteil. Darauf ist er stolz.
Parallel erlebt und gestaltet der 62-jährige erfolgreich den Strukturwandel rund um „seine Stadt“. Nach Kohle und Stahl siedeln sich mehr und mehr neue Technologien, Hochschulen, Kultur und Kunst an. „Hier qualmt nix mehr. Hier rauchen jetzt Köpfe“. Traurig macht ihn zugleich, dass in seiner Region der Schienengüterverkehr ein „stiefkindliches“ Ansehen hat. Hoffnung hegt Schilff auf das neue Konzept der EVG-Betriebsräte von DB Cargo. „Wir brauchen den „Railcoach“ für mehr Güter auf die Schiene“.
Für seine kommenden Jahre bis zum Ruhestand hat er noch reichlich Ziele, bzw., Pläne. Ein Hauptanliegen ist es ihm, Umweltbedürfnisse und Ökonomie miteinander in Einklang zu bringen. „Der ÖPNV muss attraktiver werden, um die Straße zu entlasten. Darin liegt der Schlüssel der Mobilitätswende; unserer Zukunft“. Und wie sieht er seine private Zukunft? „Ich bin jetzt 47 Jahre dabei, möchte 50 Jahre Bahn und 50 Jahre EVG erreichen. Dann beginnt mein Leben danach“.