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Politik

Geschichte: 75 Jahre Grundgesetz

Am 23. Mai 1949 wurde das Grundgesetz (GG) erlassen. Es gilt in der am gleichen Tag gegründeten Bundesrepublik Deutschland, zu der das Saarland erst seit dem 01.01.1957 gehört (vorher zu Frankreich). Mit der Wiedervereinigung Deutschlands wurden die östlichen Bundesländer neu gegründet und seitdem gilt das Grundgesetz auch dort.

Nach den Vorgaben der drei alliierten Westmächte USA, Großbritannien und Frankreich sollte die Bundesrepublik ein demokratischer, föderaler und westintegrierter Staat werden und so hatten diese Alliierten 1948 die Ministerpräsidenten der damals schon existierenden westlichen (Bundes-)Länder beauftragt, den Entwurf einer verfassungsmäßigen Ordnung zunächst beschränkter staatlicher Souveränität erarbeiten zu lassen.

Die Arbeit dazu nahmen die Männer und die (vier) Frauen des dazu eingesetzten Parlamentarischen Rates (insgesamt jeweils 65 stimmberechtigte Mitglieder verschiedener Parteien) im September 1948 an. 

Dabei handelte es sich sowohl um der Arbeitnehmer:innenbewegung nahestehende Abgeordnete als auch um eher dem Kapital zugeneigte Abgeordnete, teilweise auch mit Nazi-Vergangenheit.

Folglich wurde kontrovers im Parlamentarischen Rat diskutiert z.B. über

  • die deutsche Frage (d.h. ob und wie eine deutsche Vereinigung anzustreben sei), 
  • das Asylrecht (Artikel 16 GG), 
  • die Notstandsverfassung 
  • das Streikrecht. 

Die sogenannten Notstandsgesetze (Regieren im Spannungsfall) waren zwar in der Vorbereitung zum Parlamentarischen Rat ein Thema, blieben aber zunächst außen vor. Erst 1968 wurden die Notstandsgesetze unter Willy Brand gegen den heftigen Protest der DGB-Gewerkschaften (besonders der IG Metall) in das Grundgesetz GG aufgenommen.
 
Die ursprüngliche Idee der arbeitnehmernahen Mitglieder war es, ein positiv formuliertes Streikrecht in das Grundgesetz aufnehmen zu lassen. 

Dazu hatte es ursprünglich nicht nur den heute für uns so wichtigen Artikel 9 (3) „Koalitionsfreiheit“ im Grundgesetz geben sollen, sondern auch einen weiteren (vierten) Absatz, in dem es dann geheißen hätte „Das Streikrecht wird im Rahmen der Gesetze anerkannt“.

Zu diesem vierten Absatz des Artikel 9 kam es nie, denn bei der Frage, was die Formulierung „im Rahmen der Gesetze“ denn genau bedeuten würde, kam man nicht überein. So wie auch heutzutage von manchen ein erläuterndes Streikgesetz gefordert wird, um das Streikrecht (weiter) einzuschränken, so wurden auch damals viele Auflagen und Einschränkungen im Streikfall verlangt, dass die eigentlichen Befürworter:innen des geplanten vierten Absatzes zum Streikrecht lieber auf den ganzen vierten Absatz verzichteten.
 
So heißt es bis heute Artikel 9 (3) „Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, ist für jedermann und für alle Berufe gewährleistet. Abreden, die dieses Recht einschränken oder zu behindern suchen, sind nichtig, hierauf gerichtete Maßnahmen sind rechtswidrig.“

Das ist das verbriefte Recht, Gewerkschaften zu gründen (die es übrigens 1949 schon längst wieder gab) und in der heutigen richterlichen Auslegung bedeutet es auch das Recht, zu streiken. Streikrecht ist Richterrecht, d.h. die Richter:innen interpretieren das Grundgesetz, ohne dass es ein eigenes Streikgesetz gibt. Ferner gehen Arbeitgeber immer wieder zu Gericht, um vom Gericht feststellen zu lassen, dass ein bestimmter Streik ungesetzlich, unverhältnismäßig oder was auch immer ist.

Mit der Notstandsgesetzgebung 1968 wurde u.a. der weitere Einsatz von (Bundes-)Polizei und Bundeswehr innerhalb der Bundesrepublik geregelt. Auf Drängen der Gewerkschaften bekam der Artikel 9 (3) GG dann noch einen Nachsatz, dass sich Regierungsmaßnahmen im Spannungsfall nicht gegen Arbeitskämpfe zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen richten darf. 

Uns ist noch wichtig festzustellen: die ersten Streiks in Deutschland waren allesamt illegal. Das Streikrecht wurde uns nicht geschenkt, sondern es wurde erkämpft. 

Auch heute gibt es mächtige Stimmen, die Streiks verbieten wollen oder aber faktisch verunmöglichen wollen (Stichwort „kritische Infrastruktur“). Das Streikrecht kann uns aber nur genommen werden, wenn wir es kampflos hergeben.