Connecting Europe Express: Durchwachsene Bilanz des „Jahrs der Schiene“
Fünf Wochen lang war der „Connecting Europe Express“ in 26 europäischen Ländern unterwegs, von Lissabon nach Paris. Die EU-Kommission wollte damit auf ihr „Jahr der Schiene“ aufmerksam machen. Ist das gelungen - und was bringt das „Jahr der Schiene“?
Es war kein Zufall, dass die Ankunft des „Connecting Europe Express“ am 7. Oktober in Paris von Protesten begleitet wurde. Die EVG-Delegation war dabei. Die Europäische Transportarbeiter Föderation (ETF) und ihre Mitgliedsgewerkschaften warnen davor, den Wettbewerb als Allheilmittel zu sehen. Wettbewerb allein führt noch nicht zu mehr Verkehr auf der Schiene. Er muss sozial ausgestattet sein. Denn die Arbeitsplätze bei den Eisenbahnen müssen sicher und attraktiv sein, um auch künftig Menschen für die Arbeit im Eisenbahnsektor begeistern zu können.
Sicher war der „Connecting Europe Express“ ein Zug der Superlative: 20.000 Kilometer lang war der aus Waggons verschiedener europäischer Eisenbahnunternehmen bestehende Sonderzug unterwegs, um für den „Green Deal“ der EU-Kommission und speziell für das „Jahr der Schiene“ zu werben. Beim Eintreffen des Zuges in Berlin am 29. September schwärmten „der noch amtierende“ Verkehrsminister Andreas Scheuer, DB-Chef Richard Lutz und Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller von dem Grenzen überschreitenden, Länder und Völker verbindenden Verkehrsmittel Eisenbahn.
Europa klimaneutral bis 2050, die ökologische Verkehrswende als Kernstück der Klimawende: diese Ziele teilen wir als EVG. Ungetrübt fällt unsere Bilanz des CEE dennoch nicht aus. Denn: Ausgerechnet diejenigen, die die Verkehrswende und die grenzüberschreitenden Erlebnisse erst möglich machen, als Lokführer*innen, als Zugbegleiter*innen, als Servicekräfte, als Reiniger*innen oder als Werkstattpersonal, spielten bei dem Projekt so gut wie keine Rolle. Die Gewerkschaften als deren Interessenvertreter waren nicht eingeladen. „Das hat uns schon sehr verärgert und das haben wir der EU-Kommission so auch mitgeteilt“, so EVG-Vize Martin Burkert beim Zwischenstopp des CEE in Berlin. Er zog hierbei zugleich ein durchwachsenes vorläufiges Fazit des Europäischen Jahrs der Schiene: „Das Signal ist gut und richtig, dass der Schienenverkehr gefördert werden muss, um die Klimaziele des Green Deal zu erreichen. Aber sehr viel Konkretes dafür ist in diesem Jahr bisher nicht passiert.“
Immerhin, der Verein mobifair und die EVG nützten die Gelegenheit einer Mitfahrt im CEE, um ein Gespräch mit hochrangigen Vertreterinnen der Generaldirektion Transport der EU-Kommission zu führen. Thema: die unzureichende Umsetzung der Triebfahrzeugführerscheinverordnung. „Die Verordnung ist zu weich und zu unverbindlich“, sagte mobifair-Vorstand Helmut Diener. „Es fehlen einheitliche Lehrpläne und Prüfungsrichtlinien.“ Gemeinsam mit seinem Vorstandskollegen Dirk Schlömer übergab er der Kommissions-Vertreterinnen ein von mobifair in Auftrag gegebenes Gutachten. Es zeigt die Unterschiede bei der Umsetzung der Verordnung in den verschiedenen Mitgliedsstaaten und damit den großen Handlungsbedarf. Die Verordnung, so Helmut Diener, „muss evaluiert werden. Es darf nicht sein, dass Lokführer zu einem Anlernberuf wird. Dieser Trend gefährdet die Sicherheit auf der Schiene.“