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Interview Familie und Frauen Mitbestimmung

Mitbestimmung: „Der Respekt steht im Vordergrund“ 

Als Jugend- und Auszubildendenvertreterin hatte Marina Hasanovic ihren ersten Kontakt mit der EVG. In dieser Zeit wurde ihr klar, wie wichtig die Gewerkschaft ist. Schon während ihrer Zeit als Fahrdienstleiterin setzte sie sich als Betriebsrätin bei der Netz AG in Stuttgart für die Kolleg:innen ein. Heute ist sie mit 31 Jahren eine der jüngsten Betriebsratsvorsitzenden der EVG.

Marina, wie kam es, dass du den Vorsitz im Betriebsrat übernommen hast?
Tatsächlich wurde ich vom ehemaligen Vorsitzenden gefragt, ob ich mir den Vorsitz im Gremium vorstellen könnte. Da auch das restliche Gremium hinter dem Vorschlag stand und ich diese Chance als interessant empfand, habe ich mich dafür entschieden. Ich konnte bereits auf viel Erfahrungen als BR Mitglied zurückgreifen, weshalb ich mich bei der Wahl 2022 sehr gut für den Vorsitz im Gremium vorbereitet fühlte.

Frauen als Vorsitzende in Betriebsräten gibt es deutlich weniger als Männer. Wie wirst du in dieser Funktion im Betrieb in dieser Position wahrgenommen? 
Das ist sehr unterschiedlich. Diejenigen, die mich kennen, stehen hinter mir und unterstützen mich. Diejenigen, die mich nicht kennen, sind eher skeptisch. Das liegt aber hauptsächlich an meinem Alter. Manche fragen sich, ob ich überhaupt die nötige Erfahrung für den Vorsitz habe. Im BR gab es früher mit der Geschäftsleitung immer einen eher harten und ruppigen Umgang. Wir versuchen eher zielorientiert an einer Lösung zu arbeiten. Hier hat sich seit der letzten BR Wahl die Zusammenarbeit im Gremium, aber auch mit der Geschäftsführung geändert, der Respekt steht im Vordergrund und nicht die Vorwürfe. Dadurch kommen viele Mitarbeitende mit ihren Problemen zum BR. Der neue Stil kommt also auch bei den Kolleg:innen gut an.

Welche Themen gehst du neu als Vorsitzende an und welche Themen gibt es bei euch im Betrieb?
Wir müssen gerade zahlreiche Betriebsvereinbarungen aktualisieren bzw. neugestalten und die Arbeit des BRs grundsätzlich digitalisieren. Hier arbeiten wir gerade einiges auf. Wir haben einen extremen Personalmangel und viele arbeiten über Gesetz und Tarif hinaus. Die Bezirksleiter:innen sind total überlastet. Alle arbeiten quasi 200% und sind maximal am Limit. Das ist unser Fokus sowie bei den Außenbesuchen. Unser Betrieb ist auf über 200 km vom Norden bis zum Süden verteilt. Wir wollen für die Kolleg:innen vor Ort da sein und besuchen sie deshalb so oft es geht. 

Wie sehen eure Betriebsversammlungen aus?
Wir denken Betriebsversammlungen grundlegend neu. Zum Beispiel möchten wir Fishbowl Diskussionen zwischen Geschäftsführung und Mitarbeiter:innen nutzen. Kolleg:innen können hier mit der Geschäftsführung direkt über Themen diskutieren wie etwa „Weshalb verlassen uns so viele Kolleg:innen?“. Die konkreten Probleme sollen direkt angesprochen werden. Wir haben die Betriebsversammlungen nach der harten Coronazeit bewusst in Präsenz ausgewählt, da viele im Fahrdienst allein arbeiten und eine große Sehnsucht nach Austausch und Kontakt haben. Daher sind die Präsenzveranstaltungen so wichtig.

Welche Themen möchtest du bei euch im Betrieb in nächster Zeit angehen?
Generell möchte ich das Klima im Betrieb verbessern. Die Kolleg:innen sollen zufrieden zur Arbeit gehen. Der neue Vorstand will hier zum Beispiel Zulagen verdoppeln und Wohnungen bauen, das finde ich erstmal gut. Da bin ich guter Hoffnung, dass es hier auch ein Umdenken gibt und die Beschäftigten im Fokus stehen. In Stuttgart gibt es zudem viel Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt. Manche gehen zu Mercedes und verdienen dort am Fließband mit weniger Verantwortung deutlich mehr Geld. Wir brauchen hier im Betrieb daher viel mehr Anerkennung und Wertschätzung für die Arbeit. Wir müssen zum Beispiel Schichtpläne so ändern, dass keine Nachteile entstehen.

Wie siehst du die EVG frauenpolitisch aufgestellt?
Wir sind hier sehr gut aufgestellt, die Arbeit innerhalb der EVG gefällt mir sehr gut. Ich habe das Gefühl, dass Frauen sehr gefördert werden und ich fühle mich in der EVG insgesamt sehr wohl. Der Generationswechsel findet jetzt statt und das Thema Geschlecht wird immer irrelevanter, da es in meiner Generation weniger eine Rolle spielt.