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Alterssicherung: Bericht der Rentenkommission ist kein großer Wurf

Fast zwei Jahre lang hat die Rentenkommission der Bundesregierung getagt, um Vorschläge für die Zukunft der Rente zu entwickeln. Das Ergebnis ist eher mager. 

Die Kommission war im Mai 2018 eingesetzt worden. Sie bestand aus insgesamt zehn Personen, überwiegend Bundestagsabgeordneten, aber auch Vertreter*innen der Wissenschaft, der Arbeitgeber und der Gewerkschaften. Die Position des DGB wurde von Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach vertreten. 

Heute ist die gesetzliche Rente durch die so genannte doppelte Haltelinie abgesichert. Zum einen darf das Rentenniveau, also das Verhältnis der Standardrente zum Durchschnittsverdienst, nicht unter 48 Prozent sinken. Zum anderen darf der Rentenversicherungsbeitrag nicht über 20 Prozent steigen. Diese doppelte Haltelinie ist per Gesetz allerdings bis 2025 befristet. Der Expertenkreis sollte nun die Frage klären: Wie geht es nach 2025 mit der gesetzlichen Rente, aber auch der betrieblichen und privaten Altersvorsorge, weiter?

Positiv ist zunächst einmal: Die „Rente mit 70“ steht nicht im Bericht – jedenfalls nicht ausdrücklich. Zwar gab es die Bestrebungen, eine weitere Anhebung des Renteneintrittsalters über 67 Jahre hinaus zu empfehlen; der DGB konnte das aber verhindern. Denn schon die Rente mit 67 war ein Fehler, weil sie für viele Beschäftigte gar nicht erreichbar ist und somit eine faktische Rentenkürzung bedeutet.  

Andere Ergebnisse sind allerdings weniger zufriedenstellend. Die Rentenkommission empfiehlt, das Prinzip der Haltelinien fortzuführen – allerdings in Form von so genannten Korridoren. 

Das Rentenniveau soll sich ab 2026 zwischen 44 bis 49 % bewegen. Der genaue Wert soll jeweils für einen 7-Jahres-Zeitraum festgelegt werden. Hiergegen hat sich der DGB in einem Sondervotum gewendet: Der Korridor wird als zu gering abgelehnt. Die heute gültigen 48 % müssen die definitive Untergrenze sein, im weiteren Schritt muss das Rentenniveau auf 50 % angehoben werden. Auch der Rentenversicherungsbeitrag soll sich in einem Korridor bewegen, nämlich zwischen 20 und 24 %. 

Die Standardrente soll künftig erst mit 47 Entgeltpunkten erreicht werden (heute: 45 Entgeltpunkte). Auch hier hat der DGB eine abweichende Meinung vertreten. Denn aus unserer Sicht ist dies lediglich ein Rechen­trick, der das Rentenniveau höher erscheinen lässt, ohne dass tatsächlich mehr Rente gezahlt würde. Schon 45 durchschnittliche Beitragsjahre sind heute für viele Beschäftigte auf Grund von Bildungszeiten und unterbrochenen Erwerbsbiografien kaum zu erreichen, wie dann erst 47 Jahre? 

Neu eingeführt werden sollen zwei weitere Bezugsgrößen im Rentenversicherungsbericht. Nämlich der Gesamtsozialversicherungsbeitrag (also die Gesamtheit aller Beiträge, die ein*e Beschäftigte*r für Renten-, Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung einzahlt) sowie der Abstand der verfügbaren Standardrente zum durchschnittlichen Bedarf der Grundsicherung im Alter. Diesen Punkt begrüßt die EVG, denn wir sehen hierin wichtige Kontrollvariablen für die Sozial- und Rentenpolitik. 

Die Kommission empfiehlt die Einführung einer Altersvorsorgepflicht für alle Selbstständigen, die nicht bereits anderweitig obligatorisch abgesichert sind. Das ist aus unserer Sicht sinnvoll, um die Basis der gesetzlichen Rentenversicherung zu verbreitern und die Selbstständigen abzusichern. Keine Empfehlung gibt die Kommission zur Einbeziehung von Beamt*innen und Abgeordneten ab.

Die Absicherung im Alter fängt aber schon lange vor dem Übergang in Rente und Ruhestand an, nämlich im Berufsleben. Daher empfiehlt die Kommission zu Recht, alle sinnvollen Maßnahmen zu ergreifen, damit Beschäftigte möglichst lange in Arbeit bleiben können.  Die gesetzlichen Rahmenbedingungen für Übergänge zwischen Arbeitsleben und Ruhestand sind dafür so zu gestalten, dass ein möglichst langer Verbleib im Betrieb bzw. in sozial abgesicherter Beschäftigung ermöglicht und unterstützt wird. Zum Beispiel durch bessere Ausgestaltung der Altersteilzeit sowie Vereinfachung von Möglichkeiten, zu einer vorgezogenen Altersrente hinzuzuverdienen. Auch Prävention und Rehabilitation sowie Weiterbildung sind zu stärken.

Dagegen kommt die Stärkung der betrieblichen Altersvorsorge (bAV) im Bericht aus Sicht der EVG zu kurz. Zwar wird empfohlen, die Förderung von arbeitgeberfinanzierter bAV für Geringverdiener*innen zu erhöhen und zu dynamisieren. Das geht aus Sicht von DGB und EVG in die richtige Richtung, ist aber nicht ausreichend. Wichtige Punkte fehlen, mit denen die bAV insgesamt durch gute gesetzliche Rahmenbedingungen gestärkt werden könnte, wie die Erleichterung der Allgemeinverbindlicherklärung für mehr Tarifbindung. 

Fazit: Ein großer Wurf sieht anders aus. Es ist für die EVG kein klarer Kurs in Richtung einer langfristig abgesicherten und gerechten gesetzlichen Rente erkennbar und es fehlen entschiedene Maßnahmen für die Stärkung betrieblicher Altersvorsorge. 

Die Bundesregierung hat den Bericht Ende März entgegengenommen und wird nun prüfen, ob und welche politischen Konsequenzen sie daraus ziehen wird. Die EVG hat die Bundesregierung bereits aufgefordert, insbesondere an der Haltelinie von 48 Prozent für das Rentenniveau festzuhalten. „Wir erwarten“, so EVG-Vize Martin Burkert, „gerade von der SPD, dass sie an ihrer Beschlusslage festhält, das Rentenniveau langfristig mindestens auf heutigem Niveau zu stabilisieren.“ Auch die Veränderung der Richtgröße für die Standardrente von 45 auf 47 Entgeltpunkte sieht die EVG kritisch, denn „es darf nicht zur Einführung der Rente mit 70 durch die Hintertür kommen. Zudem muss ein Zwang zu privater Vorsorge – der mögliche Lücken der gesetzlichen Rente stopfen soll – zulasten der Beschäftigten verhindert werden.“