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Gewerkschaftsgründung nach dem Krieg: Schafft die Einheit!

Schon in den letzten Kriegswochen wurden die ersten freien Gewerkschaften (wieder-) gegründet. Ihre Gründerinnen und Gründer bauten auf dem Vermächtnis derer auf, die als Gewerkschafter*innen von den Nazis verfolgt wurden. 
 

Gedenktafel in der EVG-Zentrale in Frankfurt/Main

Für die Zeitschrift „Bahn-Epoche“ griff EVG-Kollege Wilfried Kohlmeyer in diesem Frühjahr tief in sein Archiv. Und schrieb einen Artikel über ein Foto vom 1. Mai 1938 im BW Friedberg/Hessen. Rund 200 Männer posieren dort vor einer mit Nazi-Fahnen und Hakenkreuzen geschmückten Lok. Bei genauerem Hinsehen entdeckte Wilfried Kohlmeyer auf dem Bild seinen Großvater. „Dieser war zu dieser Zeit Werkmeister des Bw Friedberg. Auf dem Foto steht er mit großem Ernst im dunklen Anzug mit weißem Hemd, Krawatte und Schirmmütze vor der Lok (…). Er war ein begnadeter Techniker und gewerkschaftlich orientiert, trug aber wie nahezu alle weiteren Kollegen die ovale Plakette der DAF.“

Zersplitterte Landschaft
Frühjahr 1933: Wie so viele in Deutschland glaubten auch die Gewerkschaften, dass die „Regierung der nationalen Konzentration“ mit Reichskanzler Hitler genauso kurzlebig sein würde wie ihre Vorgängerregierungen. Man glaubte, ihre Zeit mit einer kurzfristigen Anpassungsstrategie überstehen zu können. Zum offenen Widerstand waren die Gewerkschaften nicht bereit und auch nicht in der Lage. Sie waren geschwächt durch die jahrelange Massenarbeitslosigkeit – und durch ihre Zersplitterung.


„Die politische Parlamentarisierung in Europa schuf zwar Parteien, aber diese übertrugen ihre Konkurrenz bis Gegnerschaft auf ihr sozialpolitisches Anhängsel, die Gewerkschaften“, schreibt unser Arbeitskreis „EVG Geschichte“. „Statt Einheit siegte „Teile und Herrsche“ zum Nachteil der ohnehin Schwächeren.“ 

Gleichschaltung statt Interessenvertretung
Schon im März 1933 wurden die Zeitungen der freien Gewerkschaften verboten, die Betriebsratswahlen ausgesetzt; am 2. Mai – einen Tag nach dem mit Pomp begangenen „Tag der nationalen Arbeit“ – wurden die Gewerkschaftshäuser besetzt, die Vermögen konfisziert, Gewerkschafter*innen misshandelt und inhaftiert. An die Stelle der freien Gewerkschaften trat die „Deutsche Arbeitsfront“ (DAF), die natürlich keinerlei gewerkschaftliche Interessenvertretung bot, sondern die Gleichschaltung der Arbeitnehmerinnern und Arbeitnehmer zum Ziel hatte.


Gedenkort in der Berliner EVG-Zentrale

Die zahllosen Gewerkschafter*innen, die den bitteren Irrtum des Frühjahrs 1933 mit dem Leben oder ihrer Gesundheit bezahlten, hinterließen ihren gewerkschaftlich Nachkommen ein Vermächtnis. Wilhelm Leuschner, Gewerkschafter und Sozialdemokrat, seit 1933 permanent verfolgt, brachte es, am Vorabend seiner Hinrichtung im Juli 1944, in einer letzten Notiz auf den Punkt: „Morgen werde ich gehenkt. Schafft die Einheit!“

Schon am 18. März 1945 gründeten sozialdemokratische, kommunistische und christliche Gewerkschafter in Aachen die erste Einheitsgewerkschaft auf deutschem Boden. Niemals wieder sollte die Arbeiterbewegung zersplittert und die Gewerkschaft nach den Worten eines Redners »ein Tummelplatz parteipolitischer Leidenschaften« werden. 


Gedenkfeier in Berlin

Ein Schwur wird verwirklicht
Auch von Wilfried Kohlmeyers Großvater ist „sein späterer Gewerkschaftsausweis erhalten, der ihn seit dem 1. Januar 1946 als Mitglied der Gewerkschaft der Eisenbahner Deutschlands (GdED) ausweist. Der Ortsverein Friedberg wurde gleich nach Kriegsende aufgebaut und trug (erst) zwei Jahre später am 28. März 1948 zur Gründung der bundesweiten Gewerkschaftsorganisation GdED bei, die damit sofort über 300.000 Mitglieder aufwies.“

„Hoch sind diese Gewerkschafter einzuschätzen, die den Schwur zur Einheit nach dem zweiten Weltkrieg tatsächlich verwirklicht haben“, schreibt EVG Geschichte. „Ihnen verdanken wir, dass auch die Eisenbahnerinnen und Eisenbahner nicht wie früher krass ausgebeutet wurden, sondern einen höheren Anteil an ihrem hart erarbeiteten Arbeitsprodukt erhielten. So konnten sie ihr und ihrer Familien Leben erstmalig ohne Not und Angst gestalten, ein Ziel, für das zu arbeiten und zu kämpfen stetig lohnt.“