Corona und Seniore*innen: Auf der Suche nach dem richtigen Umgang
Mit der Debatte um Lockerungen der coronabedingten Beschränkungen werden Stimmen laut, die fordern, dass sich ausschließlich ältere Menschen zum Eigenschutz weiterhin einschränken sollten. Die Senior*innen in EVG und DGB widersprechen diesen Forderungen deutlich im gefassten DGB-Beschluss „Corona-Krise und Seniorinnen/Senioren“.
Auch in Zeiten von Corona gilt, dass alle Menschen das gleiche Recht auf Teilhabe am öffentlichen und gesellschaftlichen Leben haben. Vorgeschriebene Quarantänemaßnahmen sind – auch nach Infektionsschutzgesetz – nur angemessen für Infizierte, aber nicht pauschal für alle älteren Menschen. Es wäre daher unverhältnismäßig, die gefährdeten Personen besonderer Bewegungs- und Freiheitsbeschränkungen zu unterwerfen. Dies wären einseitig diskriminierende Maßnahmen allein aufgrund des Alters. Bis dato gibt es beispielsweise keinen Nachweis, dass ein solcher gruppenspezifischer Beitrag nur durch ältere Menschen die Verbreitung der Infektion entscheidend eindämmt, da jeder Mensch gleichermaßen Überträger*in des Virus sein kann. Die eigene Entscheidung über das Maß der (Selbst-)Gefährdung steht den älteren in gleichem Maße wie den jüngeren Menschen zu. Deshalb dürfen ältere Menschen in keiner Weise benachteiligt werden – sei es durch spezifische Ausgangsbeschränkungen oder in der medizinischen und pflegerischen Versorgung. Vielmehr gilt, dass die Ansteckungsgefahren für alle Menschen gleichermaßen gegeben sind und deshalb Hygiene- und Abstandsregelungen auch weiterhin zu beachten sind.
Rente erst mit 67, aber Einschränkungen für Sechzigjährige?
Die Überlegungen zu Sonderregelungen für Ältere übersehen folgenden Zwiespalt: Die aktuelle Grenze für den Renteneintritt liegt bei 65 Jahren und 9 Monaten. So stellen Über-60-Jährige einen relevanten Teil der Belegschaften in Betrieben und Verwaltungen. Zudem arbeiten zahlreiche Bezieherinnen bzw. Bezieher von Alterseinkünften zusätzlich in Nebenbeschäftigungen, um sich ihre Rente aufzubessern. Teilweise wurden sie aufgrund des Personalmangels auch durch ihre früheren Arbeitgeber gebeten, weiter tätig zu sein. Ebenso sind viele Ältere selbstständig tätig oder leben mit jüngeren Menschen zusammen. Ältere Menschen tragen damit durch ihr langjährig erworbenes Wissen zum reibungslosen Funktionieren von Arbeitsabläufen bei. Pauschale Beschränkungen für Menschen ab 60 Jahren würden damit auch einen Teil der noch erwerbstätigen Bevölkerung treffen und sind daher klar abzulehnen.
Maßnahmen gegen Einsamkeit versus Infektionsschutz
Seit Beginn der Corona-Krise leiden viele Seniorinnen und Senioren unter den Kontaktbeschränkungen und zunehmender Einsamkeit. Menschen in Pflegeheimen treffen die Corona-Maßnahmen besonders hart. Die jüngst beschlossenen Lockerungen werden in unterschiedlicher Geschwindigkeit umgesetzt, richten sich jedoch nach den personellen Kapazitäten in den Pflegeeinrichtungen. Mehr Personal, das die Besuche unter den Hygiene- und Abstandsregelungen organisieren soll, gibt es aber nicht. Es zeigt sich anhand der Unterfinanzierung, dass die Situation in Alten- und Pflegeheimen sowie bei der ambulanten Pflege wie auch bei der Pflege durch Angehörige eine besondere Aufmerksamkeit hinsichtlich des Gesundheits- und Arbeitsschutzes erfordert. Hier gilt es vor allem, den akuten Mangel an Schutzausrüstungen – vor allem für das Pflegepersonal – umgehend zu beseitigen und den Pflegebereich so zu finanzieren, dass Maßnahmen zum Infektionsschutz mit Maßnahmen gegen Einsamkeit gleichermaßen in Einklang zu bringen sind.