Jugend: „Bahnfahren gehört einfach dazu“
Seit langem schon pflegt die EVG-Jugend einen engen Austausch mit der Jugend der Schweizer Eisenbahnergewerkschaft SEV. Mitte März waren wir in Bergün im schweizerischen Graubünden eingeladen. Lest hier einen Erfahrungsbericht unseres Bundesjugendleiters Daniel Rehn.
Egal ob der Krieg in der Ukraine, die gemeinsamen Wirtschaftssanktionen oder die überwältigende Solidarität mit den vielen Kriegsflüchtlingen: Die aktuelle politische Lage beweist eindrucksvoll, wie wichtig internationale Zusammenarbeit ist. Da die Schweiz weder NATO- noch EU-Mitglied ist, sind Besuche in der Schweiz immer etwas ganz Besonderes. Wenn es um die Schweiz geht, denkt man in Deutschland auch oft an Geld. Hier gibt es auch Unterschiede; wo in Deutschland „Nur Bares ist Wahres“ gilt, wird in der Schweiz mit QR-Codes per Online-Dienst über das Handy gezahlt. Gestaltet sich, ohne das gewohnte EU-Datenroaming, übrigens schwierig.
Bei uns wird oft mehr Beteiligung der Bevölkerung über Volksentscheide gefordert, in der Schweiz aber sorgt die hohe Anzahl an Volksentscheiden für eine geringe Beteiligung bei eben diesen, die Bevölkerung wird beinahe überflutet mit Volksentscheiden. Gewerkschaften werden hier automatisch bei der Gesetzgebung mit eingebunden, da sonst ein Volksentscheid von diesen organisiert werden könnte, dessen Ausgang natürlich schwer einzuschätzen ist. So haben die Gewerkschaften einen einfacheren Weg, sich an der Gesetzgebung zu beteiligen.
Der Bundesjugendsekretär der SEV, Patrick, erzählte uns von Demonstrationen und starken Protesten, mit denen die Schweizer:innen ihre Regierung überzeugten, sich den Sanktionen gegen Russland anzuschließen und ihre Neutralität gegen Verantwortung einzutauschen. Die Solidarität, die wir bei uns bundesweit spüren können, ist auch in der Schweiz deutlich sichtbar. An vielen Orten hängen Ukraineflaggen aus den Fenstern oder Schilder mit Hinweisen auf Übernachtungsmöglichkeiten. Auch unsere Bundestagswahlen sind in der Schweiz ein großes Thema. Rechtspopulisten und Konservative gehören in der Schweiz zum politischen Alltag. Dahingehend zeigten sich die Schweizer Kolleg:innen beeindruckt davon, wie in Deutschland die Zusammenarbeit mit den Rechtspopulisten konsequent abgelehnt wird.
Natürlich ist Corona nach wie vor ein großes Thema, besonders beim Reisen in anderen Ländern. In der Schweiz ist allerdings einiges anders als in Deutschland. Maskenpflicht gilt nur noch in Zügen, Impfnachweise sind nirgendwo notwendig. Ohne Maske in Geschäften, im Hotel oder Bahnhöfen unterwegs sein zu können, ist super ungewohnt. Wir wurden auch des Öfteren von Angestellten angesprochen, dass Masken gar nicht vorgeschrieben sind. Ob das sinnvoll ist, wird sich zeigen. Wir tragen die Masken zur Sicherheit aber lieber trotzdem.
Als Verkehrsgewerkschafter:innen konnten wir natürlich auch das Thema Eisenbahn nicht außen vorlassen. Die SBB der Schweiz wird oft als Paradebeispiel einer zuverlässig funktionierenden Eisenbahn genannt. Generell hat man das Gefühl, in vielen Bereichen ist das ganze Land viel mehr auf Bahnfahren als Autofahren ausgelegt. Tramgleise stehen im Mittelpunkt der Straßenführung, Park&Ride Möglichkeiten sind deutlich ausgeprägter als in Deutschland und die Züge sind ausnahmslos alle pünktlich gewesen. Mitarbeitende bekommen kostenlose Jahreskarten, die völlig selbstverständlich in allen Zügen und Bussen der Schweiz gelten. Hier zeigt sich, wie die Schweizer:innen mit der Eisenbahn umgehen. Bahnfahren wird hier nicht von vielen als Belastung gesehen, sondern Bahnfahren gehört in der Schweiz einfach dazu.