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Senioren Politik Gemeinschaft

Bundesseniorenleitung: „Wir müssen uns in  alle Politikfelder einmischen“

So viel Wechsel gab es selten: Gleich 27 neue Kolleginnen und Kollegen sind seit Neuestem Mitglieder der Bundesseniorenleitung (BuSL). Mitte Juli kam das neu zusammengesetzte Gremium in Erfurt zusammen.

"Ich bin schon seit Jahrzehnten gewerkschaftlich engagiert, war auch lange Zeit Betriebsrätin, bis ich aus persönlichen Gründen kürzertreten musste. Aber einmal Gewerkschafterin, immer Gewerkschafterin. Deswegen habe ich mich sehr gefreut, als ich gefragt wurde, ob ich ein Frauenmandat in der Bundesseniorenleitung übernehmen möchte. Denn ich meine, dass man gerade in den heutigen Zeiten dafür eintreten muss, dass die Seniorinnen und Senioren nicht vergessen werden. Da denke ich insbesondere an die Digitalisierung. Viele ältere Menschen haben Angst, sich mit Smartphones und Laptops auseinanderzusetzen. Diese Angst sollten wir ihnen nehmen, damit sie in der Pandemie nicht abgehängt werden."

Brigitta Dobler

Umgekehrt sind 27 Kolleginnen und Kollegen aus der Bundesseniorenleitung ausgeschieden. Sie in einem angemessenen Rahmen zu verabschieden, war bei der Bundesseniorenkonferenz im März Corona-bedingt noch nicht möglich - wurde dafür jetzt umso würdiger nachgeholt. Mit einigen persönlichen Worten verabschiedete EVG-Vize Martin Burkert jedes einzelne der nach Erfurt angereisten Mitglieder. Jede und jeder bekam eine Geschenktüte und eine Urkunde – und ein Foto mit Martin, welches nun professionell aufbereitet wird und als besondere Erinnerung dient.

So unterschiedlich die Lebenswege der Kolleg:innen und die persönliche Geschichte ihres Engagements in unserer Gewerkschaft und in Betriebs- und Personalräten sind, allen ist eines gemeinsam: Sie haben sich nach dem Abschluss ihres aktiven Berufslebens noch zehn Jahre oder länger für die Belange der fast 70.000 Seniorinnen und Senioren in der EVG eingesetzt. Sie haben damit die Seniorenpolitik der EVG geprägt, die von vielen – auch im DGB - als herausragendes Merkmal unserer Gewerkschaft angesehen wird. Unser Motto „Wir leben Gemeinschaft“ wird auf diese Weise mit Leben erfüllt. Dafür sagen wir auch an dieser Stelle: herzlichen Dank! Und Glückauf und alles Gute für den weiteren „dritten Lebensabschnitt“.

Zur Verabschiedung angereist war auch Regina Görner, Vorsitzende der Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen (BAGSO). Hier ist die EVG bereits seit vielen Jahren Mitglied. Regina würdigte, dass auch der DGB mittlerweile Mitglied in der BAGSO ist „und das liegt auch an eurem engagierten Auftreten auf dem DGB-Kongress 2018.“ Dass immer mehr Kolleginnen und Kollegen auch im Ruhestand Gewerkschaftsmitglieder bleiben, „ist auch eine Chance. Denn dadurch wird die Bindung vor Ort gestärkt und wir haben eine viel bessere Basis, um auch in den Kommunen politisch aktiv zu werden.“

Starkes Internet an jeder Milchkanne

„Die BAGSO hat etwas zu sagen und sie wird gehört und das hat auch mit eurem Engagement zu tun“, so Regina im politischen Teil ihres Vortrags. Sie nannte drei Schwerpunkte, bei denen sich die BAGSO verstärkt politisch einbringen wolle: Kampf gegen Altersarmut, Einsatz für eine gute pflegerische Versorgung und die Gestaltung der Digitalisierung. „Wir beobachten natürlich sehr genau, was die Bundesregierung tut, um die Menschen angesichts steigender Lebenshaltungskosten zu entlasten. Die Senior:innen dürfen hier nicht wieder vergessen werden! Hier bleiben wir dran und setzen uns dafür ein, dass nicht mit der Gießkanne gearbeitet wird, sondern dass gezielt auf soziale Problemlagen eingegangen wird.“ Bei der Pflege müsse heute die Frage gestellt werden, wie wir künftig in der Lage sein werden, die älteren Menschen in unserer Gesellschaft ordentlich zu versorgen. „Wir müssen Pflege neu denken.“ Beim Thema Digitalisierung dürften die älteren Menschen nicht allein gelassen werden. Wenn immer mehr Verrichtungen auf digitalem Wege erledigt werden sollen, dann müsse auch dafür gesorgt werden, dass jede und jeder barrierefreien Zugang zu digitalen Techniken haben müsse. „Wir brauchen starkes Internet an jeder Milchkanne.“

Nicht nur Hochglanzbroschüren und Weihnachtsfeiern

Einen weiteren hochkarätigen Gast hatte sich die BuSL eingeladen: Klaus Beck, Seniorenkoordinator des DGB, nahm eine Standortbestimmung der Seniorenpolitik im DGB und seinen Mitgliedsgewerkschaften vor. „Der Anteil der Seniorinnen und Senioren in den Gewerkschaften wird steigen, deswegen müssen wir ihnen Angebote machen.“ Und die dürften nicht nur in Hochglanzbroschüren und Weihnachtsfeiern bestehen, „sondern das ist eine politische Aufgabe.“ Beim Übergang aus dem aktiven Berufsleben in den Ruhestand seien nach wie vor Mitgliederverluste zu verzeichnen; deswegen müsse eine „organisatorische Haltepolitik“ entwickelt werden. Denn die Gewerkschaften haben auch Konkurrenz, so den VdK, der sich mehr und mehr als „Gewerkschaft der Senior:innen“ aufzustellen versucht und dabei durchaus erfolgreich ist. „Nichts gegen den VdK“, so Klaus, „aber das große Plus der Gewerkschaften ist, dass wir ALLE Generationen organisieren und vertreten.“

Seniorenpolitik sei Querschnittpolitik, „deswegen müssen wir uns in alle Politikfelder einmischen.“ Beispiel kommunale Verkehrspolitik: Bei der Weiterentwicklung des ÖPNV müssten die Interessen der älteren Generation unbedingt berücksichtigt werden. Damit die DGB-Kolleg:innen in den kommunalen und regionalen Gremien diese auch vertreten können, solle die Seniorenpolitik in die Weiterbildungsangebote für DGB-Hauptamtliche aufgenommen werden.

Weitere Vorhaben sind die Entwicklung einer Richtlinie für die Seniorenpolitik des DGB, die Vorbereitung einer seniorenpolitischen Konferenz und eines Workshops Digitalisierung im kommenden Jahr sowie Publikationen zur Digitalisierung und zu haushaltsnahen Dienstleistungen.

„Was für ein Unterschied heute im Vergleich zu 2018“, resümierte die Vorsitzende der Bundesseniorenleitung, Anne Pawlitz, mit Blick auf die Entwicklung zwischen den beiden Bundeskongressen des DGB. „2018 wäre es noch nicht denkbar gewesen, dass wir einen seniorenpolitischen Antrag einstimmig durchbringen.“ Auch in der Politik müsse man dran bleiben. Zur notwendigen Entlastung von Senior:innen angesichts der steigenden Energiepreise haben EVG-Mitglieder zahlreich Briefe an Angeordnete verschickt. „Wenn wir dann einen Formbrief zurückbekommen, zeigt das doch zumindest, dass man gezwungen war, sich damit auseinanderzusetzen. Jetzt dürfen wir nicht locker lassen, wir müssen den Druck auf dem Kessel hochhalten.“

Viele Wahlen

Die Mitglieder der Bundesseniorenleitung hatten in Erfurt auch umfangreiche Wahlen zu absolvieren. Gewählt wurden:

  • Drei Stellvertretende Vorsitzende der BuSL. Henning Lange, Henrik Maiwald und Hans Neumann unterstützen künftig die Vorsitzende Annegret Pawlitz.
  • Vertreter:innen der Senioren im Verkehrsausschuss, im Sozialpolitischen Ausschuss (SPA) und im Beamtenpolitischen Ausschuss der EVG sowie in der AG Satzung des Bundesvorstandes und in der AG „Wohnen“ des SPA
  • Vertreter:innen der EVG-Senioren im DGB-Koordinierungskreis sowie in den DGB-Arbeitsgruppen „Digitalisierung“ und „Haushaltsnahe Dienstleistungen“
  • Kolleg:innen, die die EVG in den Fachkommissionen der BAGSO vertreten 

"Ich bin seit Jahrzehnten Gewerkschafter und als ich aus dem aktiven Berufsleben ausgestiegen bin, war für mich klar, dass ich weiter machen werde. Da spielt einfach das gewerkschaftliche Herzblut eine wichtige Rolle. Fast 70.000 Senior:innen in der EVG wollen betreut und ordentlich vertreten werden. Das haben sie verdient. Und dafür will ich gemeinsam mit meinen Kolleginnen und Kollegen in der BuSL einsetzen."

Henrik Maiwald