SPNV: „Einsatzbereitschaft –Gemeinschaft – Lebensfreude“
Sie ist die vermutlich meistfrequentierte SPNV-Strecke in der Hauptstadtregion: Die RE1 verbindet Magdeburg, Brandenburg/Havel, Berlin, Frankfurt/Oder und manchmal auch Cottbus miteinander. Beim nächsten Fahrplanwechsel im Dezember übernimmt die Ostdeutsche Eisenbahngesellschaft (ODEG) die Strecke von DB Regio. EVG-Mitglied Heidi Zeidler ist selbst lange als Kundenbetreuerin auf der RE1 gefahren. Sie hat den Betreiberwechsel zum Anlass genommen, die bisherige Geschichte der Strecke aus persönlicher Sicht zu rekapitulieren.
Noch wird von ca. 700 Beschäftigten mit Engagement und dem Chaos durch das 9 Euro Ticket u.a. Problemen die Strecke Cottbus – Frankfurt (Oder) – Berliner Stadtbahn – Potsdam – Brandenburg – Magdeburg im Schichtdienst bis zum Fahrplanwechsel im Dezember betrieben.
Mit der politischen Entwicklung 1994 durch den Zusammenschluss der DR (Deutschen Reichsbahn) mit der DB (Deutschen Bundesbahn) zur DB AG wurde der Personenverkehr in Nah- und Fernverkehr als Tochtergesellschaften materiell, finanziell und personell getrennt aufgestellt. Als Modellprojekt wurde der Kernbereich Berlin ausgewählt, aufgrund der besonderen Streckenstruktur mit dem „Nadelöhr“ Berlin.
Ein großer Teil der Mitarbeiter (ehemals DR), zum Beispiel Schaffner, Aufsichten, Wagenreinigung, wurden, als „dienstuntauglich“ und aus anderen Gründen in andere Tochtergesellschaften versetzt oder in den Vorruhestand geschickt. Einige Zeit wurden für das „Projekt“ noch Schaffner als Kundenbetreuer belassen, aber dann stand die Qualifizierung zur „Fachkraft Zugführer“ an, um als Kundenbetreuer allein im Zug eingesetzt zu werden. Der gesamte Regionalbereich wurde als „Dienstleistungs-Unternehmen im Nahverkehr“ aufgebaut.
Auch der neue Betriebsrat mit GdED/TRANSNET-Mehrheit im Bezirk Berlin/Brandenburg stellte sich Schritt für Schritt auf eine neue Form der Interessenvertretung ein: näher heran an die politischen Entscheidungsgremien in dem Flächenland Brandenburg und dem Stadtstaat Berlin. In Monatsgesprächen der Regionalbereichsleitung wurde dem Betriebsrat erläutert, welche Anforderungen an ein Dienstleistungsunternehmen gestellt sind und welche neuen Einstellungen zur Arbeit von den Kundenbetreuern und auch Triebfahrzeugführern erwartet wurden: das Tragen von neuer Unternehmensbekleidung, persönliches Auftreten im und auch am Zug; Übungen für eine einwandfreie deutsche Sprache im Kundengespräch und Lautsprecherdurchsagen.
Zum Anfang des Projektes wurden Kundenbetreuer aus der „Meldestelle“ Frankfurt/Oder mit diesen Zielen vertraut gemacht und sogar in der Flugbegleiterschule in Frankfurt/Main mit praktischen Übungen unterrichtet.
Es wurde Selbstaneignung der Aufgaben, besonders auch die Bedienung neuer Technik gefordert, die im gesamten Netz auch mit der Entwicklung des VBB (Verkehrsverbundes Berlin-Brandenburg) zum Einsatz auf dem RE 1 kamen. Freundschaftlich fanden die Hilfe und Austausch untereinander statt.
Die Kundenwerbung besonders für Abonnenten in der 1. Klasse spielte eine große Rolle im Unternehmen. Herausforderungen kamen aber auch mit dem „Schönes-Wochenende-Ticket“ für 5 Personen und beliebig vielen Kindern, sowie mit dem jährlich stattfindenden Baumblütenfest in Werder mit „Massen von Menschen“, oft alkoholisiert und randalierend in der 1. Klasse. Auch Fußballfans mussten gehindert werden, die Wagen „auseinander zu nehmen“. Aber viele Kunden wurden Stammgäste und auch die Touristen entdeckten die Schönheiten des Landes Brandenburg und bedankten sich bei den Kundenbetreuer:innen für die netten Informationen.
Immer wieder neue Herausforderungen auf der RE 1 waren zu meistern, wie die Tarifentscheidungen, das „Wabensystem“ mit Tarifgebieten ABC, Ergänzungsfahrkarten und der Umstieg der S-Bahn-Kund:innen auf den schnelleren RE 1. Fahrscheinverkauf für den Fernverkehr und Informationen in Abstimmung mit den Aufsichten/Transportabteilung bei Verspätungen konnten viele Jahre zur Zufriedenheit der Kunden ermöglicht werden.
Der Neubau der Hauptbahnhöfe Berlin und Potsdam sowie des Regionalbahnhofs Ostkreuz mit allen Baumaßnahmen sowie Unfällen, die zu Verspätungen führten und immer weiter führen, wurden oft mit Beleidigungen und tätlichen Angriffen der Zugbegleiter „ertragen“. Die Achtung untereinander und die Gemeinschaft auch mit den Triebfahrzeugführer:innen bis hin in die Hilfe in den Familien ist ein hohes Gut, was wenig von den Führungskräften gewürdigt wird. Zu Gesprächen und Diensteinteilungen kommt es fast nur noch auf technischer Basis.
Die Einsatzbereitschaft als Eisenbahnerinnen und Eisenbahner, der bevorstehende Ruhestand, der Generationenwechsel wird zur Auflösung der jetzigen Gemeinschaft führen, aber vielleicht auf neuen Strecken neu entstehen.
Die Verkehrswende wird nicht allein mit neuer Technik und Internet erreicht. Es gehören dazu in erster Linie Menschen, die fachlich ausgebildet den gesamten ÖPNV in den Bundesländern betreiben. Dafür ist die Voraussetzung, dass die Infrastruktur – das Schienennetzes, aber auch Brücken – ausgebaut wird.
Die Lebensfreude wird bleiben, dazu beitragen sollte auch die Interessenvertretung im neu gewählten Betriebsrat und mit den EVG-Betriebsgruppenmitgliedern im Regionalbereich Berlin/Brandenburg/Mecklenburg-Vorpommern.