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RAB: „Wir bleiben am Ball, aber wir sind nie der Spielball“

Der Regionalverkehr Alb-Bodensee (RAB) ist Ende April aus dem Arbeitgeberverband AGV MOVE ausgetreten. Die EVG hat das sofort scharf kritisiert. Wie dieser Schritt bei den Beschäftigten ankam und wie wir vor Ort darauf reagieren, sagt der Betriebsratsvorsitzende Thomas Kollmus.

Thomas, wie habt ihr erfahren, dass die RAB aus dem AGV MOVE ausgetreten ist? 
Als erster habe ich das erfahren, an einem Dienstagabend um 18.30 Uhr. Da rief mich unser Geschäftsführer an und sagte: Das wird Ihnen jetzt nicht gefallen, aber wir sind aus dem Arbeitgeberverband ausgetreten. Meine erste Reaktion war: Gut, wenn das so ist, dann fordern wir jetzt keine 650 Euro mehr, sondern dann müssen wir 1.000 Euro fordern, damit wir den WBO erreichen.

Also den Tarifvertrag der Baden-Württembergischen Omnibusunternehmen...
Wir haben in Baden-Württemberg ein Landestariftreuegesetz, und der WBO-Tarifvertrag ist hier als Referenztarifvertrag festgelegt.

Und den unterschreiten die Tarifverträge der DB?
Es gibt einige Unterschiede. Der WBO-Tarifvertrag hat einen Stundenlohn und es gibt eine andere Eingruppierungssystematik. In der Eingangsstufe liegen wir über dem WBO, bei den anderen Stufen darunter. Wir müssen natürlich aber berücksichtigen, dass wir durch die Tarifverträge der EVG auch Sozialleistungen haben, die Geld wert sind, also rechnerisch muss man bei uns dafür pro Stunde rund 50 Cent draufrechnen.


„Dennoch kommen die Kolleginnen und Kollegen, die bei uns arbeiten, im Moment nicht auf das Lohnniveau, das private Busunternehmen bezahlen.“

Thomas Kollmus, Betriebsratsvorsitzender

Dennoch kommen die Kolleginnen und Kollegen, die bei uns arbeiten, im Moment nicht auf das Lohnniveau, das private Busunternehmen bezahlen. Das muss man auch vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels sehen: Derzeit fehlen allein in Baden-Württemberg rund 1.500 Busfahrer und private Unternehmen haben andere Möglichkeiten, sie zu bezahlen als der Konzern.

Gab es dann eigentlich noch mal eine offizielle Mitteilung an die Beschäftigten? 
Es gab einen Eintrag eines unserer Geschäftsführer bei DB Planet. Er hat den Schritt damit begründet, dass die Wirtschaftlichkeit der RAB gesichert werden müsse und dass das Unternehmen auch in Zukunft bei Ausschreibungen wettbewerbsfähig sein müsse. Angekommen ist bei den Beschäftigten: Die wollen einen Billigheimer aus uns machen. Alles weitere hat dann die Betriebsgruppe der EVG publik gemacht, also was alles an einem solchen Schritt dranhängt: Urlaubs- und Weihnachtsgeld, der bAV-TV, etc. Und dann sind wir in die Vollen gegangen. 

Und wie sehen die Beschäftigten das?
Sie sind sehr sauer. Viele denken darüber nach, das Unternehmen zu verlassen und die ersten Kündigungen haben wir auch schon. Wir haben die Kolleginnen und Kollegen aber auch darüber informiert, dass wir als Betriebsrat durchaus Möglichkeiten haben, den Arbeitgeber unter Druck zu setzen - was wir bereits auch tun. Und ich habe mich auch nicht gescheut, alle Politiker, die ich kenne, und auch manche, die ich nicht kenne, anzuschreiben, bis hin zum Bundesarbeitsminister Hubertus Heil.


„Von der Bühne herab habe ich am 1. Mai lautstark gesagt, dass die RAB Tarifflucht begeht, dass das unmöglich ist für ein Unternehmen in Bundesbesitz – und dass es traurig ist, wenn ein Drittel unserer Busfahrer Wohngeld beantragen müssen.“

Thomas Kollmus, Betriebsratsvorsitzender

Natürlich haben wir auch Kontakt gesucht zur örtlichen Presse, wir waren in der Schwäbischen Zeitung, mit zwei Artikeln und auch Videoclips. Am 1. Mai haben wir in Ravensburg eine Aktion gemacht, wo alle örtlichen Politiker, aber auch die MdB aus der Region, auf unserem Plakat unterschrieben haben. Von der Bühne herab habe ich am 1. Mai lautstark gesagt, dass die RAB Tariflucht begeht, dass das unmöglich ist für ein Unternehmen in Bundesbesitz - und dass es traurig ist, wenn ein Drittel unserer Busfahrer Wohngeld beantragen muss. Ich nehme da kein Blatt vor den Mund.

Wir haben uns auch getraut zu sagen, dass manche Kolleginnen und Kollegen am 20. des Monats überlegen, ob sie sich noch das Benzin leisten, um zur Arbeit zu fahren, oder lieber den Kühlschrank auffüllen. Und das bei Arbeitszeiten von bis zu 14 Stunden am Tag, sechs Tage die Woche!


„Der Arbeitgeber lernt jetzt das Betriebsverfassungsgesetz so richtig kennen.“

Thomas Kollmus, Betriebsratsvorsitzender

Inwiefern nutzt ihr eure Möglichkeiten im Betriebsrat?
Wir haben als Betriebsratsgremium immer das Miteinander mit dem örtlichen Arbeitgeber gesucht, wir haben auf Augenhöhe agiert. Nach diesem Anruf am Dienstagabend haben wir uns gezwungen gesehen, neu durchzustarten. Im Moment haben wir 19 Aufträge an den Arbeitgeber geschickt, mit Sachverständigen, mit Einigungsstelle etc. Die lernen jetzt das Betriebsverfassungsgesetz so richtig kennen. Auf der anderen Seite stellen wir fest, dass wir seitdem viel enger mit den anderen Betriebsräten der DB Regiobus zusammenarbeiten. Wir gehören zusammen und sind solidarisch miteinander. 

Wie steht ihr denn zu der Argumentation, die RAB müsse ihre Wettbewerbsfähigkeit sichern?
Es gab mal einen Wettbewerb, ja. Aber wir hatten Corona, das 9-Euro-Ticket, jetzt das 49-Euro-Ticket, die Inflation. Die Spritpreise sind immens in die Höhe gegangen. Ich komme sehr viel mit Privatunternehmern zusammen: Die einen hören aus Altersgründen auf, die anderen aus wirtschaftlichen Gründen. Erst unlängst haben wir erlebt, dass ein Unternehmer, der 19 Umläufe für uns fahren sollte, in die Insolvenz gegangen ist. Manche machen nur noch Reiseverkehr, aber keine Linienverkehre mehr. 50 Prozent unserer Verkehre gewinnen wir mit den Ausschreibungen, die es tatsächlich noch gibt, die anderen 50 Prozent bekommen wir geschenkt, weil sie niemand fahren kann oder will. Ja, es war brutal mit dem Wettbewerb und man sollte nicht vergessen, dass die Busfahrer: innen oftmals zurückgesteckt haben bei den Tarifverhandlungen, weil es hieß: Wir müssen wettbewerbsfähig sein. 

Das Wort Wertschätzung wird gerne in den Mund genommen, aber was heißt das? Ein Busfahrer fängt bei uns mit 2728 Euro brutto an. Ulm und Weingarten sind Hochschulstädte; dass hier eine Wohnung 1200 Euro kostet, ist normal. 

Was verbindest du mit dem Begriff Wertschätzung?
Von der Gesellschaft her sollte endlich anerkannt werden, dass Busfahrerinnen und Busfahrer Menschen sind, denen man respektvoll und höflich begegnet. Und der Arbeitgeber sollte sich mal die Mühe machen, auf die Mitarbeiter zuzugehen, um sich ihre wahren Probleme anzuhören.

Wie geht’s jetzt weiter, was erwartet ihr – vom Arbeitgeber, von der EVG?
Die RAB sollte wieder in den Arbeitgeberverband zurückgehen, das ist die Voraussetzung, dass wir wieder nett sind. Wenn nicht, müssen wir in naher Zukunft auf die Geschäftsführung zugehen und sie auffordern, den WBO-Lohn zu übernehmen, der übrigens derzeit neu verhandelt wird. Auf jeden Fall sind wir weiter im Spiel, aber wir sind nicht der Spielball. Mir ist wichtig, dass wir weiter hinter den Kolleginnen und Kollegen der anderen Busgesellschaften stehen, wir stehen hinter jeder einzelnen unserer Forderungen und wir kämpfen dafür, dass die RAB kein Billigheimer wird.